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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Inneres krampfte sich bei dem Gedanken zusammen. »Ich bin nur ein kleiner Registraturbeamter!«
    »Keine Widerrede. Sie werden morgen wieder hingehen.«
    Ich setzte zu einem Protest an, aber es war schon zu spät.
    Nachdem Dedlock seinen Körper verlassen hatte, fiel Steerforth heftig keuchend in sich zusammen. In dem hektischen Bestreben, mehr Luft zu bekommen, zerrte er an der Krawatte und riss die obersten Hemdknöpfe auf.
    Ich konnte einen kurzen Blick auf die Brust des muskulösen Mannes werfen und wünsche mir immer noch, ich hätte es sein lassen. Der arme Steerforth – seine Haut war übersät mit madenweißen Narben, eingekerbt von zahllosen alten Nähten, Furchen, Runzeln, Kerben und begleitet von roten, punktförmigen Dellen. Steerforth muss meine aufgerissenen Augen bemerkt haben, denn er beeilte sich, das Hemd wieder zuzuknöpfen. Seine Züge röteten sich vor Verlegenheit.
    »Sie haben sich das alles nicht verdient«, murmelte er. »Keiner von uns hat sich das verdient.«
     
    Barnaby setzte mich einen Block von zu Hause entfernt ab, und mir blieb nichts anderes übrig, als loszustürmen durch den Regen. Als ich daheim angelangte, klebten mir die Kleider am Leib, die Schuhe fühlten sich an wie vollgesogene Schwämme, und mein Haar war ein nasser Mopp.
    Als Allererstes klopfte ich an Abbeys Schlafzimmertür. Ich hörte keine Reaktion, doch anstatt das einzig Vernünftige zu tun, nämlich eine Dusche zu nehmen und mich taktvoll ins Bett zu verziehen, klopfte ich noch lauter. Und schließlich vernahm ich das Klicken ihrer Nachttischlampe, das Rascheln einer Decke und schlaftrunkene Schritte Richtung Tür.
    »Henry?«
    »Ja, ich bin’s.«
    Die Tür ging einen Spalt weit auf, und meine Hauswirtin lugte im Pyjama gähnend und ins Licht blinzelnd daraus hervor wie eine Maus aus ihrem Loch. Meine Laune hob sich ein wenig – nur weil ich die gleiche Luft atmen durfte wie sie.
    »Du bist ja klitschnass! Wo warst du denn, um Gottes willen?«
    »Das ist nicht so wichtig. Ich möchte von meinen Gefühlen sprechen.«
    Der Anflug eines Lächelns. »Und was sind deine Gefühle, Henry?«
    »Ich muss dir sagen, dass du etwas ganz Besonderes bist.«
    »Ich finde, du bist auch etwas ganz Besonderes. Aber es ist schon spät.«
    »Morgen gemeinsames Mittagessen? Ich lade dich ein.«
    »Fein. Klingt nicht schlecht.« Sie schien verwirrt.
    »Großartig!«, sagte ich, aber dann wollte ich mein Glück erzwingen und rückte einen Fingerbreit näher. »Ich würde dich gern küssen. Aber ich bin ziemlich nass.«
    »Gute Nacht, Henry«, sagte sie (gar nicht unfreundlich), bevor sie mir – und das lässt sich nun wirklich nicht beschönigen – die Tür vor der Nase zuschlug.
    Ich blieb ein Weilchen stehen, in der Hoffnung, sie könnte mit einem Handtuch zurückkommen und mir anbieten, mich abzurubbeln oder so. Aber ich hoffte vergebens, und als ich lange genug triefend vor ihrer Tür herumgestanden hatte, nahm ich schließlich die heiße Dusche und hüpfte ins Bett. Es war schon nach Mitternacht, und ich glitt gerade ins Land der Träume, als ich mich ruckartig aufsetzte und anfing, mich zu fragen, wann genau mein närrisches Leben aufgehört hatte, wundersam und bizarr zu sein, und zu einer Realität geworden war, die ich mit demselben stählernen Fatalismus akzeptierte wie Jasper, Steerforth und all die anderen übergeschnappten Typen, die sich mit Leib und Seele dem Direktorium verschrieben hatten.

 

     
    Nach diesen letzten süßlichen Ergüssen Mister Lambs – durchzogen von klebriger Gefühlsduselei und praktisch unlesbar aufgrund der öden Plattheit seines Gewäschs, lechzen Sie vermutlich schon danach, zur schmackhafteren, gehaltvolleren Kost dieses unseres Berichts zurückzukehren. Wir können Ihnen Ihre kluge Einsicht wohl kaum zum Vorwurf machen. Ein herzliches Willkommen daher, und schätzen Sie sich glücklich, dass Sie sich wiederum in den Händen jener befinden, die wissen, wie man eine Geschichte glaubwürdig und überzeugend wiedergibt.
     
    Als der Sturm die Mall entlangheulte und gegen die Mauern von Clarence House anrannte, erhielt Arthur Windsor eine unerwartete Lektion von Seiten Mister Streaters.
    »Schütten Sie nur tüchtig in sich rein«, sagte er und schwenkte die Teekanne. »Wir wollen doch nicht, dass Sie uns durstig werden, Chef.«
    »Bitte sagen Sie nicht ›Chef‹ zu mir.«
    Streater goss dem Prinzen mehr Tee ein. »Wenn mir ein Kerl übern Weg läuft, der mir zu Gesicht steht, dann sage

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