Das Königshaus der Monster
nicht wenigstens versuchen sollten, in Form einer Anschaffung von Mobiltelefonen mit der Moderne Schritt zu halten. Er hegte die starke Vermutung, dass eine solche Aktion bei den Menschen draußen gut ankommen würde, dass es ihn schließlich doch noch unmissverständlich als einen Mann des Volkes darstellen könnte, als einen modernen Prinzen, der auch mit der Lebensart und den Belangen der Jugend des einundzwanzigsten Jahrhunderts geistig-seelisch in Einklang stand. Arthur kritzelte eine entsprechende Notiz für Silverman und machte sich, vor sich hin murmelnd wie ein außergewöhnlich gut gekleideter alter Schnapsbruder, auf den langen Weg zum alten Ballsaal.
Mister Streaters Hosen baumelten um seine Fußknöchel, während er verzückt dabei war, eine Injektionsnadel tief in eine Vene irgendwo in seinem linken Oberschenkel zu schieben.
Arthur stürzte zurück in den Korridor, um sich zu überzeugen, dass niemand es gesehen hatte. »Was tun Sie denn da!«
» Wird ein bisschen knifflig mit der Zeit«, stellte Streater gedehnt fest, »immer eine neue Vene zu finden.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Eine kleine Stärkung nach dem Essen.« Der Blonde verstaute die Spritze in einer seiner Taschen, und Arthur verspürte eine Woge des Ekels.
»Ich habe gerade mein Essen hinuntergeschlungen«, sagte der Prinz leise, »ich war grob zu meinem besten Freund und habe mich geweigert, mit meiner Frau zu sprechen. Warum, zum Teufel, kann ich mich nicht von Ihnen fernhalten?«
»Muss wohl meine faszinierende Persönlichkeit sein.« Wie ein Gebrauchtwagenhändler, der die Aufmerksamkeit eines Kunden auf den ganzen Stolz des Abstellplatzes lenkt, präsentierte Streater mit ausholender Geste die Teekanne aus Porzellan, die auf dem Tischchen stand. »Lust auf eine Tasse Tee?«
Bei der Erwähnung von Tee leuchteten die Augen des Prinzen auf. »Ich muss gestehen, ja.«
»Was sagten Sie gerade über Ihre Frau?«, fragte Streater, während er dem künftigen Thronerben die erste Tasse des Tages eingoss.
Arthur griff gierig danach. »Sie sagt, sie muss mich dringend sprechen.«
»Ehrlich?« Der blonde Mann lachte auf. »Sie will, dass Sie springen, und Sie fragen nur, wie hoch? So geht’s also bei euch zu?«
»Nein«, sagte der Prinz. »Das heißt, ich …«
Streater legte Arthur die Hand auf die Schulter. »Ein guter Rat, Kumpel. Lassen Sie keine Keckheiten durchgehen. Reicht man den Weibern den kleinen Finger, wollen sie die ganze Hand.«
Arthur schien gar nicht wahrgenommen zu haben, was Streater sagte. Er hielt ihm die bereits geleerte Tasse hin. »Hören Sie, wäre vielleicht noch ein Tröpfchen vorhanden?«
Streater lächelte und füllte die Tasse. »Aber wir sollten jetzt loslegen. Ihre Mama ist ganz scharf darauf, dass wir mit Ihrer Unterweisung fertig werden.«
»Warum das?«
Streater bedachte ihn mit einem unmanierlichen Grinsen und klatschte in die Hände, worauf das schwache Licht der Wintersonne allmählich erlosch – so als schöbe sich eine dunkle Wolkenbank langsam vor sie.
Der Prinz saß erwartungsvoll da, seine Tasse Tee fest umklammert in den Händen, als in einer Ecke des Saales eine Gestalt zu materialisieren begann: der seltsame Schatten von Windsors Urururgroßmutter. Neben ihr tauchten die Umrisse von Wholeworm, Quillinane und Killbreath auf.
»Ich danke Ihnen für Ihr Erscheinen, meine Herren«, sagte die Königin.
Die drei Advokaten verneigten sich gleichzeitig.
» Wir bedauern die Unstimmigkeiten mit Mister Dedlock während unseres letzten Zusammentreffens.«
»Keine Ursache, Madam«, sagte der Engländer. »Ich bin überzeugt, dass eines Tages auch Mister Dedlock erleuchtet werden wird.«
»Oh, das bezweifle ich doch sehr, Mister Wholeworm. Ich glaube, uns steht ein langer und blutiger Kampf bevor. Und ob es Mister Dedlock nun gefällt oder nicht: Leviathan ist hier und bleibt hier. Aber die Wahrheit kann nur wenigen anvertraut werden, meine Herren; ausschließlich die würdigsten meiner Nachfolger sollen sie erfahren – und das erst zum richtigen Zeitpunkt.«
»Amen«, nickten die Anwälte im Chor.
»Wir sind der innere Kreis. Wir kennen die Wahrheit. Leviathan wird die Stadt erst übernehmen, wenn die Zeit reif ist.«
»Wie werden wir das feststellen, Madam?«, fragte der Ire. »Wie werden wir wissen, wann London reif ist?«
»Das weiß ich nicht genau, Mister Quillinane. Soweit ich es verstanden habe, müssen gewisse atmosphärische Voraussetzungen gegeben sein, um die
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