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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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diese Stadt vor Unheil zu bewahren!«
    Ich bemerkte, dass der Alte sich nicht überwinden konnte, ihr in die Augen zu schauen. »Das Blaupausen-Programm ist bereits gebilligt. Aber ich habe sehr klar zu verstehen gegeben, dass die betreffende Person sich freiwillig zur Verfügung stellen muss.« Er platschte hinüber zu Mister Jasper. »Haben Sie verstanden? Eine Freiwillige! Wir sind keine Barbaren!«
    Jasper spulte seine sicherlich ausgiebig geprobte Antwort mit glatter Zunge ab: »Selbstverständlich, Sir! Aber bedenken Sie, Sir, dass wir eine Frau in ausgezeichnetem körperlichem Zustand benötigen, jemand mit lebhaftem, wissbegierigem Geist, jemand … Sauberen.«
    »Jemand Sauberen? Was meinen Sie mit ›sauber‹?«
    »Verlassen Sie sich auf mich, Sir. Estella war eine phantastische Frau. Jedes Subjekt, das wir erwählen, wird für diese Verfeinerung, diesen persönlichen Aufstieg dankbar sein.«
    Miss Morning geriet in geradezu biblischen Zorn. »Wie abstoßend! Vor solchen Methoden sollten selbst Sie zurückschrecken!«
    Dedlock seufzte. »Wir tun, was wir tun müssen, begreifen Sie das nicht? Es hat sich einiges verändert, seit Sie zuletzt mitgespielt haben. Die Welt ist nicht mehr so vornehm wie ehedem.« Er schwamm in meine Richtung. »Mister Lamb?«
    Ich hatte schon angefangen zu hoffen, dass ihm meine Anwesenheit entfallen war.
    »Ich möchte, dass Sie ins Krankenhaus fahren. Hawker und Boon haben mit Ihrem Großvater noch ein Hühnchen zu rupfen, und es wäre möglich, dass die beiden ihm einen Besuch abstatten wollen. Schauen Sie nicht so besorgt drein, ich gebe Ihnen eine Bewachung mit. Morning? Haben Sie auch irgendetwas Nützliches beizutragen?«
    Die alte Dame sah ihn in offener Verachtung an. »Ich habe vor, eine eigene Spur zu verfolgen.«
    Dedlock starrte argwöhnisch zurück. »Wie Sie wollen. Ich möchte Sie alle um achtzehn Uhr wieder hier haben. Dann erwarte ich auch, Ihre Jägerin zu sehen, Jasper. Und nun – an die Arbeit!«
     
    Darauf folgte ein zehnminütiges verlegenes Geplauder, denn es dauerte eine Ewigkeit, bis die Umdrehung des Riesenrades vollendet war und die Gondel an ihrem tiefsten Punkt anhielt.
     
    Als wir ausstiegen, hatte Jasper immer noch diese selbstgefällig-zufriedene Miene aufgesetzt. Ich glaube, ich wusste zu diesem Zeitpunkt bereits – obwohl ich nicht den Schatten eines Beweises dafür hatte –, dass er schon seit langer Zeit auf den Startschuss für das Programm wartete und dass für ihn all dieses Leiden und Sterben nur eines bedeutete: die Chance, seine scheußlichen Theorien zu erproben. Aus diesem Grund habe ich ihm nie vergeben. Mit dem Rest seines Verrats, seines Im-Stich-Lassens, kann ich leben, aber dafür – für die Rolle, die er beim Beginn von »Blaupause« spielte – kann ich wohl nie auch nur einen Hauch von Nachsicht aufbringen.
    Miss Morning, die nach wie vor lautstark die ekelhafte Verderbtheit des Mannes im Glastank anprangerte, marschierte Richtung South Bank davon, um ihre zuvor erwähnte geheimnisvolle Spur zu verfolgen. Ich kann nicht behaupten, dass ich traurig war, sie gehen zu sehen. Sie fing eindeutig an, die Nerven zu verlieren, sich in krauser, auf alles und jeden gerichteter Wut zu verstricken, und das war ein Schauspiel, das wiederum mich ziemlich aus der Fassung brachte. Für sie wäre es besser gewesen, nie wieder mit dem Direktorium in Berührung zu kommen – vermutlich besser für uns alle.
    »Jasper?«, sagte ich.
    Der Mann mit den kindlichen Gesichtszügen tippte in höchster Eile auf seinem Handy herum und sah nicht einmal auf. »Sollten Sie nicht bei Ihrem Großvater sein?«
    »Ich wollte nur fragen …«
    »Ja?«
    »Dieses Blaupausen-Programm. Ihre silberne Pille. Wem werden Sie sie zu schlucken geben?«
    »Regen Sie sich nicht so auf, Henry.«
    Ein schrecklicher Argwohn hatte sich in meinem Hinterkopf festgesetzt. »Sie suchen eine Freiwillige, richtig? Dedlock – er sagte doch, es müsste eine Freiwillige sein, nicht wahr?«
    »Überlassen Sie das mir, Henry. Ich habe mir über das Programm Blaupause eine Menge Gedanken gemacht, das können Sie mir glauben.«
    »Ich glaube es Ihnen aufs Wort!«, rief ich. »Herrgott, Sie ziehen sich schon jemanden dafür heran, stimmt’s?«
    »Schau an!«, sagte Jasper und blickte über meine Schulter. »Ist das nicht Ihre Hausherrin?«
    Er hatte recht. Abbey spazierte über den Rasen auf das Riesenrad zu. Sie lächelte und winkte mir zu, und ich winkte zurück; als ich mich

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