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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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umdrehte, um Mister Jasper weiter zur Rede zu stellen, war er verschwunden.
    Abbey kam ganz dicht an mich heran und küsste mich – ein kurzes Aufeinandertreffen der Lippen und, zu meiner Überraschung, ein rasches Züngeln ihrerseits.
    »Hallo!«, sagte ich, als sie einen Schritt zurück machte.
    »Was ist das?«, fragte sie und starrte das Ding in meinem Ohr misstrauisch an.
    Ich hob die Schultern und antwortete ausweichend: »Es gehört zu meiner Arbeit. Aber was machst du hier?«
    »Ich habe in der Nähe eine Besprechung und fragte mich, ob du wohl Zeit für eine Tasse Kaffee hättest. Ich wollte dich eigentlich anrufen deswegen, aber wie’s der Zufall will, treffe ich dich hier.«
    »Also, ich würde liebend gern auf einen Kaffee gehen, aber ich muss in die Klinik zu Großvater.«
    »Ich dachte, du wärst bei der Arbeit?«
    »Bin ich auch. Es … hängt damit zusammen.«
    »Dann komme ich mit dir.«
    »Ehrlich?«
    »Ja. Ich würde ihn gern kennenlernen.«
    »Wenn du unbedingt willst …«
    »Natürlich will ich!«
    »Er ist nicht in bester Verfassung. Nicht sehr gesprächig.«
    Abbey lachte. »Also los. Wir nehmen den Bus.«
     
    Nummer 176 ruckte Richtung Dulwich voran, stockend und rülpsend im zähen Verkehr. Der Bus war fast leer, und unbeschadet meiner Situation fand ich es fast vergnüglich, mit Abbey oben zu sitzen, während der Rest der Menschheit hart arbeiten musste. Die Welt der Präfekten, des Direktoriums und des Blaupausen-Programms schien mit einem Mal Lichtjahre entfernt, sie wirkte wie etwas Schwammiges, Lächerliches, das jemand anderem in die Quere gekommen war. Ich wurde erst wieder in die groteske Wirklichkeit gerissen, als ich mich umdrehte und den schwarzen Wagen bemerkte, der uns folgte: die Leibwache, die Mister Dedlock mir angedroht hatte.
    »Hoffentlich habe ich dich heute Morgen nicht geweckt«, sagte ich.
    »Nein, nein. Ich war nur beeindruckt, dass du nach letzter Nacht so früh aus dem Bett kamst.«
    »Ich musste ja zur Arbeit.«
    »Meine Güte, diese Beförderung! Sie treiben dich ganz schön an, nicht wahr?«
    Ich hob die Schultern. »Ich muss ja was leisten für mein Geld, oder?«
    »Geld?«, fragte sie. »Ist das der Grund?«
    »Nein, es ist nicht nur das Geld«, räumte ich ein.
    Sie nickte wissend. »Man muss in der Arbeit Befriedigung finden, das wünsche ich mir auch! Es wäre wundervoll, etwas wirklich Wichtiges zu tun. Etwas, das wahrhaft zählt!«
    »So was wie Wohltätigkeitsarbeit?«
    »Vielleicht. Ich bin mir nicht ganz sicher; vermutlich werde ich es wissen, wenn es so weit ist. Ich möchte eben meinen persönlichen Beitrag leisten.«
    »Ich glaube, ich weiß, was du meinst.«
    »Du fehlst mir, wenn du nicht da bist«, sagte Abbey leise. »Die Wohnung ist so leer.«
    »Du fehlst mir auch.« Wir saßen in einträchtigem Schweigen da und genossen diese geheimnisvolle Beziehung, die zwischen uns zu knospen schien. Natürlich musste ich Idiot den Mund aufmachen und alles ruinieren.
    »Abbey?«
    Ein verträumtes Lächeln. »Ja?«
    »Wer ist Joe?«
    Das Lächeln erstarrte und wurde zuckend zu einer schlechten Imitation seiner selbst. »Woher kennst du diesen Namen?«
    »Du hast ihn heute Morgen geflüstert. Du sagtest Joe zu mir.«
    Abbey antwortete nicht, starrte nur schweigend aus dem Fenster; ihr hübsches Gesicht war erfüllt von Bedauern und Schmerz.
    »Abbey?«, sagte ich. »Abbey?«
    »Joe ist niemand.« Sie presste ein schwaches, wenig überzeugendes Auflachen hervor. »Er ist ein Geist, nichts weiter. Bloß ein Gespenst.«

 

     
    Mister Streater marschierte ohne anzuklopfen in das Schlafzimmer des Prinzen von Wales und schrie: »Chef! Werfen Sie sich in den Sonntagsstaat! Wir gehen aus!«
    Arthur trat aus dem Badezimmer; als Folge seiner jämmerlichen Versuche, es in die rechte Form zu bringen, war sein schütteres Haar verklebt von Pomade.
    »Aus?«, erkundigte sich der Prinz und sah sich nach einem Handtuch um. »Was meinen Sie mit ›ausgehen‹?«
    »Nur die Ruhe, Chef. Nichts Aufregendes, ich möchte nur, dass Sie zwei Kumpel von mir kennenlernen.« Streater hob ein Handtuch auf, das auf dem Boden herumlag, und warf es Arthur zu. »Suchen Sie nach dem hier?«
    »Ich kann nicht ausgehen«, sagte der Prinz. »Ich soll heute Vormittag an einer Grundschule einen Baum pflanzen.«
    Streater bewegte die Arme in einer beruhigenden Geste. »He, he, Kamerad …!« Er holte etwas aus seiner Jackentasche – eine Spritze, selbstverständlich gefüllt mit der

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