Das Königshaus der Monster
Arm und hielt ihn zurück.
Zwei Zollbeamte hatten die Frau fallen sehen und eilten zu ihr, aber es war bereits zu spät. Ihr Gesicht schien anzuschwellen und sich zu einer geradezu grotesken Größe aufzublähen; glänzende, knollenförmige Beulen wuchsen aus ihren Wangen, und selbst aus einigen Metern Entfernung konnte Arthur erkennen, dass sich gelber Eiter darin befand und sie sich wie mit Eigenleben erfüllt wölbten und bewegten. Der Körper der Frau schien dem gewaltigen Druck von innen nicht gewachsen; er rüttelte an ihr wie an einem verlegten Rohr, in das unaufhörlich Wasser nachströmt. Ein-, zweimal versuchte Arthur, sich von diesem grausigen Schauspiel abzuwenden, doch erfasst von morbider Faszination, schaffte er es nicht.
Die Frau zitterte und bebte immer noch; ein durchdringendes, herzzerreißendes Wimmern entrang sich ihrer Kehle, während eine wachsende Zahl von Neugierigen hilflos und wie versteinert einen Ring um sie bildete.
Schließlich wurde Arthurs Sicht auf die Frau gnädig verstellt, aber er vernahm das Geräusch, das von ihr ausging, als sie starb. Es war auch kaum zu überhören – dieses harte Platzen eines Luftballons an einem Sommertag. Und er sah die Auswirkungen – die kaugummirosa Pfütze, die sich auf dem Bahnhofsboden ausbreitete und den Stein mit Ampersand übergoss.
Peter würgte in sein Taschentuch. Virtue und Mercy schüttelten in grimmiger Ungläubigkeit die Köpfe. Mister Streater jedoch grinste nur. »Das zeigt mal wieder«, sagte er, »dass der Mensch wirklich zu viel des Guten kriegen kann.«
Und er grinste weiter still in sich hinein.
NEUNZEHN
Häufig spätnachts, wenn ich nicht einschlafen kann, frage ich mich, wie Jasper es angestellt hat. Ich nehme an, es ist ihm nicht einmal schwergefallen. Also, so etwas … so etwas würde mich persönlich zutiefst erschüttern. Es würde mir bleiern auf der Seele liegen. Aber Jasper? Ihn schien es nicht im Geringsten zu kümmern.
Mittlerweile werden Sie schon erraten haben, wen er anrief, als wir uns am London Eye trennten. Und Sie können sich gewiss auch vorstellen, wie honigsüß er sie beschwatzte, ihn zum Mittagessen zu treffen. In irgendeinem todschicken, protzigen Lokal, klarerweise; auf seine Rechnung, klarerweise. Und das Mädchen, schon längst geschmeichelt von seinen kleinen Aufmerksamkeiten, von der wohlerzogenen, weltmännischen Art, in der er sich gab, und der scheinbaren Aufrichtigkeit seiner Absichten, würde angesichts dieser Einladung nur hilflos ja sagen können. Später, als alles vorbei war, sagte Jasper mir, dass er sie nie auch nur mit einem Finger berührt hätte. Aber wir kennen die Wahrheit. Wir wissen, was für eine Sorte Mensch er war. Wir wissen, dass er nicht fähig gewesen wäre, sich zurückzuhalten.
Sie müssen mir vergeben, wenn ich verbittert klinge. In Anbetracht meines Zustands hege ich eigentlich überraschend wenig Groll, aber etwas an diesem Teil meiner Geschichte bringt es stets fertig, mich rasend zu machen. Es liegt vielleicht auch an der Tatsache, dass ich – wäre ich nur etwas mehr auf der Hut oder ein Jota scharfsinniger gewesen – in der Lage gewesen wäre, der ganzen Sache möglicherweise ein für alle Mal Einhalt zu gebieten.
So rief Jasper sie also an, bat sie, ihn zu einem frühen Mittagessen zu treffen, und sie stimmte zu. Vermutlich bettelte sie sich daraufhin ein wenig Make-up von ihren Kolleginnen zusammen und verschwand für eine Ewigkeit in der Damentoilette – mit heftig klopfendem Herzen bei der Aussicht auf ein weiteres Rendezvous mit diesem gewandten, umkomplizierten Mann, der ganz offensichtlich keinerlei Macken, Komplexe oder sonstige Lasten mit sich herumschleppte. Jasper wird wohl pünktlich vor dem Büro gewartet und sie in irgendein Restaurant geführt haben, von dem er wusste, es würde sie beeindrucken, das er aber normalerweise nie im Traum besucht hätte. Es musste ein Lokal sein, in dem man ihn nicht kannte – in irgendeiner Gegend, wo man ihn nicht wiedererkennen würde.
Während der Wein serviert wurde, wird er eine Weile auf ihr Geplapper eingegangen sein, nach dem Bürotratsch gefragt und höflich genickt haben, als er vernahm, dass ihr Vorgesetzter sich heute krankgemeldet hatte, und höchstes Interesse gemimt haben, als sie ihm von der dicken Frau im Kellergeschoss erzählte. Ganz gewiss hat er sich auch ihre linkischen Flirtversuche während der Vorspeise gefallen lassen, und erst als sie den Tisch verließ, um sich die Nase zu
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