Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
Vom Netzwerk:
Weinens, die immer schlimmer wurden. Ich stelle ihn mir mit einer großen CD-Sammlung vor, und wenn ich mich damit quäle, mir in allen Einzelheiten auszumalen, was damals geschah, ist es aus einem unerfindlichen Grund stets eine alte Elton-John-Nummer, die ich höre: The Bitch Is Back.
    Die arme Barbara, die sich im Bad bemüht, möglichst leise zu sein. Die arme Barbara, die alles tun würde, um ihrem alten Vater nicht zur Last zu fallen. Die arme Barbara, die sich die Eingeweide aus dem Leib kotzt, während irgendetwas Unvorstellbares von ebendiesem Leib Besitz ergreift und zieht und zerrt. Die arme Barbara, die nicht einmal dann schreit, als sich ihre Knochen aus eigenem Antrieb zu strecken beginnen, als ihr Fleisch abwechselnd schrumpft und schwillt, ihre Lippen zu Wülsten werden und die Wangen einfallen, bis sie nicht mehr vorhanden sind. Überzeugt davon, dass dies der nahende Tod ist, gelingt es ihr irgendwie, sich in ihr Zimmer zurückzuschleppen und sich wimmernd aufs Bett zu legen.
    Erst als die höllische Pein schließlich nachließ, brachte sie den Mut auf, das Bett zu verlassen und in den Spiegel zu blicken. Und erst da, erst als sie sah, was man ihr angetan hatte – erst da fing sie an zu schreien.
    Und dann, um halb sechs Uhr nachmittags, traf Mister Jasper ein.

 

     
    Silverman kam angerannt, sobald er es vernommen hatte, raste durch Korridore, prallte gegen Wände und schlitterte über Steinböden; schwitzend, keuchend und nach Luft ringend, klopfte er an die Tür zur Suite des Prinzen und trat ein, ohne auf eine Reaktion zu warten. Zu lange waren sie beide befreundet, um in jeder Situation auf das Protokoll zu achten, hatten gemeinsam zu viel durchlebt, um sich von der Etikette aufhalten zu lassen.
    Dennoch wirkte der Prinz ärgerlich über die Störung. Er saß auf der Kante seines Bettes und atmete schwer; sein Gesicht hatte die Farbe von Grießmehl und den Ausdruck eines Hasen mitten auf der Autobahn, dem klar ist, dass es ihm nie gelingen wird, den Randstreifen zu erreichen.
    Streater, dieser Unhold, stand über ihn gebeugt, eine Hand in lässigem Besitzanspruch auf der prinzlichen Schulter. Silverman vermeinte sogar einen leichten Druck auszumachen.
    »Was gibt’s, Silverman?« Es war noch nicht einmal Mittag, und der Prinz klang bereits erschöpft.
    »Wir waren alle in großer Sorge um Sie, Sir. Sie sind allein und ohne jeglichen persönlichen Schutz ausgegangen …«
    » Was geht es irgendjemanden an, wie ich meine Zeit zu verbringen wünsche?«
    »Die Baumpflanzung in dieser Schule, Sir? Die Kinder waren schrecklich enttäuscht.« Ein leicht vorwurfsvoller Blick begleitete Silvermans Worte; in der Vergangenheit hatte das meist funktioniert und dem prinzlichen Gewissen einen Stoß versetzt – als beide noch im Regiment dienten und Soldat Wales gelegentlich erwog, unter der Vortäuschung von Unwohlsein dem täglichen Drill fernzubleiben. Heute hingegen schien der Prinz Silvermans Anwesenheit im Zimmer kaum wahrzunehmen.
    Mister Streater maß den Kammerdiener von Kopf bis Fuß. »Wir waren weg, na und? Ich wollte, dass Arthur ein paar Kumpel von mir kennenlernt.«
    »Kumpel?« Unter anderen Umständen hätte Silverman diese Aussage möglicherweise als nicht ganz unamüsant betrachtet, doch heute reichte ein Blick auf die gequälte, verwirrte Miene des Prinzen, um jeden Anflug von Komik wegzublasen. »Weshalb, um alles in der Welt, sollte sich Seine Königliche Hoheit für Ihre Kumpel interessieren?«
    Streater stapfte entschlossen auf Silverman zu und starrte ihm unverwandt ins Gesicht. »Was passt Ihnen nicht an meinen Kumpeln? Finden Sie, die sind nicht gut genug für ihn?«
    Silverman tat das, was bessere Leute immer tun, wenn sie mit offener Angriffslust konfrontiert sind. Er machte einen Rückzieher und fing an, sich zu entschuldigen. »Ich wollte gewiss niemanden beleidigen! Ich bin sicher, wir sind beide gleichermaßen besorgt um das Wohlergehen des Prinzen …«
    »Mach ’ne Fliege.«
    »Pardon?«
    »Bist du taub, Mann? Hau ab!«
    Arthur zog Streater am Ärmel wie ein kleiner Junge. »Das reicht, das reicht! Silverman, ich glaube, es wäre am besten, wenn Sie jetzt gingen. Ich befinde mich hier in ausgezeichneten Händen.«
    Silverman wusste, dass da irgendetwas absolut nicht stimmte, doch Jahrzehnte der Unterordnung und Pflichterfüllung nötigten ihn dazu, sich einfach nur zu verbeugen und der Tür zuzuwenden. »Wenn Sie sicher sind, Sir.«
    »Absolut sicher«, sagte der

Weitere Kostenlose Bücher