Das Königsmädchen
ertragen, ihn so zu sehen.
»Briar?«
»Ja?«
»Ich wünschte, es wäre alles anders. Das sollst du wissen, auch wenn wir nur Freunde sind.« Er wand sich von mir ab und schaute ins Feuer. Ich legte meine Hand auf seine Narben und zog ihn vorsichtig so, dass er mich wieder ansehen musste. »Ich möchte nie wieder ohne dich sein.«
Er lächelte mich an.
Langsam beugte er sich zu mir und ich hoffte so sehr, dass seine Lippen meine umschließen würden. Ich schloss die Augen. Zaghaft fühlte ich seine Lippen auf meiner Stirn. Es versetzte mir einen Stich, aber ich war froh, dass wir wenigstens wieder so weit zueinander gefunden hatten.
Er legte sich mir gegenüber auf ein Fell und wir schauten uns durch das Feuer hindurch an. Es war wie damals in der Höhle, nur dass wir dort viel näher gewesen waren. Ich hatte in seinen Armen gelegen und wünschte mir nun, dass wir die Zeit wieder zurückdrehen konnten, bis zu diesem Moment. Doch das war nicht möglich und so trafen sich unsere Blicke und wir redeten miteinander, ohne uns etwas zu sagen. Wir blickten uns einfach nur an und waren uns in diesem Moment so nah, wie schon lange nicht mehr.
Die Sonne war noch nicht aufgegangen, als wir das große Tor in Hadassah durchritten. Die zehn Krieger waren zu uns aufgeschlossen und flankierten uns nun in geringem Abstand. Auffälliger geht es gar nicht. Aber ich fühlte mich sicherer, obwohl uns alle anstarrten. Es war so früh am Morgen schon viel los und das rege Treiben brachte uns alle zum Staunen. Hadassah war der Ort, an dem alle Völker Handel betrieben.
Trotz der Bündnisse gab es hier oft Schlägereien und Machtkämpfe, die diesem Ort etwas Gefährliches und Dunkles verliehen.
»Wir sollten uns mit den Einkäufen beeilen und zusehen, dass wir bald zurückreiten, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit zurück sind«, sagte Briar.
Der Duft von Eintopf schlug uns entgegen und Urwais suchte nach dem Stand, damit er sich erst mal den Bauch vollschlagen konnte. Aber auch andere, weitaus unangenehmere Gerüche lagen in der Luft und die Bettler kamen gerannt und baten um eine Spende.
»Ich hatte es mir hier ganz anders vorgestellt«, sagte Hanna enttäuscht, doch das verflog schnell, als sie die Reihen von Geweben sah, die sie nach der nächsten Ecke erwarteten. Alle möglichen Stoffe in unterschiedlichen Farben hingen über gespannten Leinen bis knapp über den Boden. Der ganze Platz war übersät von Ständen mit Früchten, Fleisch, Fisch und in der Mitte waren die Stoffbahnen. Rings um den eckigen Platz waren Zugänge zu Gassen, die in die Stadt hineinführten.
Hanna rannte zu den Stoffen und fachsimpelte mit den Verkäuferinnen, die allesamt vom Volk der Uhuru waren. Normalerweise unterhielten sich Uhuru und Jiri nicht so angeregt miteinander. Aber die blonde Frau mit den blauen Augen erkannte, dass Hanna sich genauso für die Webkunst begeisterte, wie es das Wüstenvolk tat.
Ich blieb im Schatten, denn mir war es in der Sonne jetzt schon zu heiß. Urwais half Hanna beim Tragen der Stoffrollen und ging mit ihr von Stand zu Stand. Briar unterhielt sich angeregt mit den Kriegern des Tempels. Ihre Blicke gingen immer wieder zu einem großen, muskulösen Mann, der die typische Rüstung der Leekaner trug. Vielleicht war er einer der Krieger, die gestern an unserem Lager vorbeigeritten waren. Zwar hatten die Jiri vor einigen Jahren Frieden mit dem Feuervolk geschlossen, doch dieser Leekaner schaute trotzdem so grimmig drein, als wären ihm alle böse gesinnt.
Als er bemerkte, dass man über ihn sprach, setzte er den Krug mit Bier an und ein paar Tropfen liefen sein dreckiges Kinn herunter. Auch auf seine verschmutzte Rüstung tropfte es aus seinem Mund, aber das störte ihn nicht. Er trug zwei große Schwerter auf dem Rücken, die sich überkreuzten, und es wäre sicher imposant zu sehen, wie er sie zückte. Briar kam auf mich zu und sah mich fragend an.
»Was ist denn?«, fragte ich ihn.
»Alles in Ordnung? Warum suchst du dir keine Stoffe aus?«
Ich lachte. »Du kennst doch Hanna, sie geht gerade völlig darin auf, sich zu überlegen, welche Stoffe sie uns beiden kaufen kann, um uns daraus tolle Kleider zu entwerfen.«
»Ja, du hast recht. Da ist jeder andere fehl am Platze.«
»Ja, wobei … Urwais schlägt sich recht gut.«
Wir lächelten und schauten zu den beiden herüber. Hanna beschimpfte Urwais gerade, weil er die Stoffe so hielt, dass sie zerknitterten, und es sie wohl große Mühe kosten würde, die
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