Das Königsmädchen
mit einem Satz im Wasser und ohne Probleme half mir die Strömung, auf die andere Seite zu kommen.
Am Ufer angekommen, rannte ich zum Hang. Ich zog an den Gräsern, um den Hügel zu erklimmen, mein nasses Kleid hing schwer an meinem Körper. Ich befand mich in der Mitte des Hügels, als mir einfiel, dass ich genauer auf die Umstände in der Vision achten sollte. Ich schaute an mir hinab. Ich trug keinen Schmuck an meinem Handgelenk, was bedeutete, dass ich noch nicht verheiratet war. Ich sah mir das Kleid genauer an und erkannte einen Stoff, den Hanna in Hadassah gekauft hatte. Sie hatte die Webkunst gelobt und verschiedenfarbige Stoffe aus diesem Material gekauft. Das musste ich mir merken, dunkelgelber Stoff. Das Kleid war lang und hatte eine kleine Schleppe. Warum sollte ich mit einem solchen Kleid in den Wald gehen? Das war absurd. Außerdem verdeckte es meine Narben nicht, das würden mir die Dienerinnen nie so anlegen.
Wie dem auch sei, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen. Ich zog mich das letzte Stück den Hang hoch und legte mich auf die Kuppe. Ich konnte nicht so weit schauen, wie beim letzten Mal, aber Krieger waren keine zu sehen. Wieder machte mich der Anblick des Tals sprachlos. Es war zu schön, als dass es nicht jeder Waldläufer sehen durfte. Was machte ich jetzt nur?
Es ist nur eine Vision. Hier in dieser Vision kann keiner sterben! Obwohl ich mich innerlich sträubte, wusste ich, dass ich Briar herbeirufen musste. Ich dachte intensiv an ihn und schon erschien er unten am Hang.
»Lilia, was machst du denn da oben? Komm da runter!«
Ich wollte ihm gerade sagen, dass alles in Ordnung sei, als wie aus dem Nichts Schiffe auftauchten und am Ufer anlegten. Die Krieger begaben sich in Heerscharen an Land und schritten direkt auf uns zu, bewaffnet, wie bereits in meiner Vision vor zwei Tagen. Ich wollte schreien, doch erinnerte ich mich wieder an meine Aufgabe. Ich musste wissen, wie viele es waren. Schnell sah ich mich um. Ich kannte den Weg von der Lichtung zu dieser Stelle hier ganz genau. Den Ort, wo sie ankommen würden, hatte ich also schon mal herausgefunden. Das dunkelgelbe Kleid, das ich trug, hatte Hanna noch nicht genäht, das hätte ich gewusst, also blieb uns noch Zeit. Jetzt musste ich nur noch schauen, wie viele Amaren kommen würden.
Zu viele.
Ich zählte weit mehr als Hundert und sie sahen sehr kräftig aus. Wie kam ich hier wieder weg? Ich schaute zu Briar. Er lächelte und streckte seine Hand nach mir aus. Ich rannte zu ihm und er fing mich auf. Ich landete direkt in seinem Arm und drückte mich fest an ihn. Er erwiderte meine Umarmung und legte seine Hand auf meinen nackten Hals, wo meine Narben waren. Auch in dieser Vision fühlte es sich genauso schön an, wie in der Realität.
Und so legte ich meinen Kopf nach hinten und schaute ihm tief in die Augen. Warum konnte es nicht für immer so sein? Hier fühlte ich mich so wohl. Hier waren wir uns nah, ganz anders als in der Realität. Doch das war nicht echt. Ich legte meine Hand auf Briars Gesicht und er sah mich traurig an. »Verlass mich nicht, Lilia.«
Ich wäre so gerne bei ihm geblieben, doch ich musste zurück in die Realität und den echten Briar vor den Amaren schützen, indem er in den Krieg zog und die Amaren zuerst angriff. Das Überraschungsmoment musste auf unserer Seite sein!
»Es tut mir leid, Briar.«
Ich schloss meine Augen, stellte mich auf die Zehenspitzen und legte ihm meine Lippen auf seine Wange. Zärtlich küsste ich ihn. Ich fühlte, wie ich aufhörte zu schweben. Die Wärme verschwand aus meinem Körper, und als ich die Augen wieder öffnete, sah mich Atira überrascht an. »Du bist großartig. Du bist schon bei deiner dritten Reise von allein zurückgekommen!«
Ich berichtete ihr von meiner Vision und ließ alles, was Briar betraf aus. Das war für sie nicht wichtig.
Nach dem Essen ging ich schnell aufs Zimmer, Hanna war nicht dort erschienen und selbst Kinthos hatte sich Sorgen um sie gemacht. Als ich das Zimmer betrat saß sie auf dem Bett und schrieb etwas auf einen Zettel.
»Hey«, vorsichtig umrundete ich mein Bett und ließ mich neben ihr nieder. »Du hast beim Essen gefehlt.«
Sie sah mich irritiert an und sagte: »Ich war zu beschäftigt, wegen morgen.«
Sie sah traurig aus und es war zu erkennen, dass sie geweint hatte.
»Hanna, was ist los?«
Ich streichelte ihr den Rücken.
»Ich will nicht mehr hier sein, ich will zurück nach Hause.«
Sie
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