Das Königsmädchen
schluckte schwer und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich werde Kinthos sagen, dass er mich nach Hause schicken soll.«
»Aber was redest du denn da für einen Unsinn? Du bist doch gerne im Tempel. Was ist passiert?«
Tränen stiegen in ihren Augen empor. »Ich saß heute mit Misaki im Park und wir haben geredet.«
Ich stellte mir die schüchterne Misaki und die quasselnde Hanna vor. »Kinthos kam vorbei und war wohl überrascht, dass wir zusammen dort saßen. Unsere Blicke trafen sich und für einen kurzen Moment dachte ich, er würde sich freuen mich zu sehen.«
Jetzt lief ihr eine große Träne über die Wange, die sie schnell wegwischte. »Doch das tat er nicht. Er kam zu uns, packte Misaki an der Hand und zog sie von dem Stein, auf dem sie saß. Im Gehen drehte er sich zu mir und meinte, dass er sie leider entführen müsse. Tja und ich saß dann ganz blöd allein im Park und habe geheult.«
Ich nahm sie in den Arm und konnte nicht verstehen, wie er diese schüchterne Misaki, deren einzige Kunst es war, mit einem Pfeil eine Beere in einiger Entfernung zu treffen, Hanna vorziehen konnte.
Die ganze Nacht verbrachte sie damit, an ihrem Text zu schreiben. Ich schlief irgendwann über dem gleichmäßigen Geräusch ihres Stiftes auf dem Papier ein.
Am nächsten Morgen wurde ich durch Krach von draußen wach. Das ganze Dorf wurde zur Ehrung der Jungkrieger und den Darbietungen von Hanna und mir erwartet. Wir wurden im Badezimmer gewaschen und in die Kleider der Jungfern gehüllt. Wie jeden Morgen achteten die Dienerinnen darauf, dass die Stellen an meinem Hals verdeckt waren.
Atira kam zu uns ins Badezimmer und fragte, in welcher Reihenfolge wir vortragen wollten. Hanna meinte, dass ich als Erste vorführen sollte und so entschied Atira, dass ich direkt nach Sonnenuntergang tanzen solle.
Sofort stieg meine Nervosität und mein Herzschlag beschleunigte sich.
»Du sollst dein Kleid schon jetzt anziehen, Lilia«, sagte Atira und die Dienerinnen zogen mir das Kleid der Jungfern wieder aus. Sie holten ein lilafarbenes, das aus dem gleichen Stoff war, wie meine Fächer. Dazu reichten sie mir ein Tuch aus weißer Spitze – ebenfalls passend zu den Umrandungen der Fächer – und legten es um meine Schultern. Ich drehte mich im Kreis und bewunderte die vielen Bänder, die nun in der Luft hinter mir her wirbelten. Es war perfekt! »Wie du siehst, habe ich an alles gedacht, Lilia.«
Ich lächelte breit, denn das Kleid war wunderschön.
»Vielen Dank, Atira, ich bin so aufgeregt.«
»Das musst du nicht, du wirst großartig sein.«
Nachdem meine Haare locker hochgesteckt wurden und sie mir eine lilafarbene Blüte ins Haar gesteckt hatten, stellten sich die Königsmädchen hinter den Jungfern auf. Außer mir waren alle gleich gekleidet. Sie trugen die weißen Kleider, die sich eng an ihre Körper schmiegten und ihre Haare waren allesamt am Hinterkopf leicht mit einem Band zusammengebunden.
Zwischen den anderen erstrahlte ich wie eine Blume. Aus irgendeinem Grund genoss ich es, denn ich würde etwas vorführen, das ich wirklich konnte und das meine innersten Gefühle widerspiegelte.
Das Tor der Kapelle öffnete sich und ich schaute noch mal auf den Stein der Erde. Er würde mir heute seine Kraft geben und so strahlte ich mein schönstes Lächeln und schritt inmitten der Königsmädchen nach draußen. Die jubelnde Menge ertönte noch lauter.
Ich suchte meine Mutter und sah sie durch ihre wundervollen dunklen Haare sofort. Sie stand in der ersten Reihe und strahlte übers ganze Gesicht. Vor Begeisterung schlug sie die Hände vor den Mund. Sie war stolz auf mich, das konnte man sehen – doch wie würde sie erst reagieren, wenn sie gesehen hatte, wie ich tanzte!
Wir gingen den Weg hinunter zum Baum des Lebens und aus der Menge wurden unsere Namen gerufen, was uns alle erfreute. Misaki, die Schüchterne, entdeckte ihre Eltern in der Menge und machte Anstalten, zu ihnen zu laufen, aber Atira warf ihr einen warnenden Blick zu. Misaki sah trotz allem überglücklich aus, es war das erste Mal, seit sie im Tempel war, dass ich sie so sah.
Kinthos wartete bereits am Baum auf uns, hinter ihm standen die Jungkrieger und Krieger. Sofort sah ich Briar, der uns zuerst noch ansah, doch als unsere Blicke sich trafen, schaute er schnell zu Boden. Ein Königsmädchen nach dem anderen ging zu Kinthos und er begrüßte uns alle mit einem Handkuss, was sehr ungewohnt war. Sein Zwinkern entlockte mir dennoch ein
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