Das Königsmal
alles verspielt.“
Wiebke antwortete nicht. Stumm suchte sie die Wäsche der Gräfin zusammen, einige Kleider, Pelze, Schuhe. Was redete die Herrin da? Der König und sie – vereint als Mann und Frau? Es wäre doch Sünde, ein Verstoß gegen die heilige Ehe.
Die Gräfin zeterte weiter, auch sie raffte zusammen, was sie nicht entbehren konnte. „Das hätte dir doch gefallen, Mädchen. Denkst du, ich habe nicht gesehen, wie du ihn umschmeichelt hast? Wie du ihn in seiner Männlichkeit bestätigt hast? Und das“, sie griff mit einer raschen Bewegung in Wiebkes Kleid und zog den Anhänger daraus hervor. „Denkst du, ich weiß nichts davon? Vielleicht hat er dich ja schon für einen Liebesdienst bezahlt?“
„Es ist mein Schmuck.“ Wiebke wandte sich aus dem Griff der Gräfin. „Der König hat ihn mir aus Dankbarkeit und Zuneigung geschenkt.“
„Zuneigung.“ Kirsten lachte kreischend. „Er wollte dich in sein Bett locken. Deine Schönheit besitzen, dich gefügig machen, was weiß ich. Jeder Mann will das, jeder Mann will seine Gelüste befriedigen. Was denkst denn du?“
Wiebke schüttelte den Kopf. „So ist es nicht“, flüsterte sie. „Ich war für den König nie etwas anderes als Eure Dienerin.“
„Ja, du hast ihm deine Röcke gehoben, dass er es bequem hatte. Nichts anderes als eine gefügige Dirne bist du, und ich, ich soll dafür bezahlen.“ Die Gräfin lachte bitter auf. „Mein Unglück begann an dem Tag, an dem du in mein Gefolge gekommen bist. Aber warte, auch du wirst nicht glücklich enden.“
„Madame.“ Wiebke ließ die Kleidungsstücke fallen, die sie in der Hand hielt. „Madame, ich kündige meinen Dienst.“
Die Gräfin lächelte sie triumphierend an. „Dafür ist es zu spät, du wurdest bereits entlassen.“
Wiebke wusste, dass sie Recht hatte. Doch sie war zu stolz, um sich weiter demütigen zu lassen. Zitternd flüchtete sie in ihre Kammer, um auch ihre Sachen zu packen. Unter dem Dach warf sie sich auf ihr Bett und ließ sich endlich von ihrem Kummer überwältigen. Ihr Weinen schüttelte sie, und sie fühlte sich so verlassen wie noch nie. Ihr Bett war ein Schiff, das sie hinaus auf die kalte See trug.
„Die Wahrheit, die Wahrheit …“ Immer wieder musste sie an die Prophezeiung der Zigeunerin denken. Was für ein dummer Glaube, dachte sie verzweifelt. Wohin hat mich die Wahrheit geführt? Sie kehrte in Schande zurück in ihre Heimat, entlassen aus dem Dienst des Königs. Entlassen aus seinem Gefolge – und aus seinem Herzen.
Christian war hinunter in den Hof gegangen. Er hatte nach den Stallburschen gerufen, um eine Kutsche bereitstellen zu lassen. Als Ellen Marsvin die Aufregung im Haus und auf dem Platz bemerkt hatte, war sie ebenfalls hinausgeeilt.
„Was ist passiert, Majestät?“
„Ich verstoße Eure Tochter, Ellen.“
Christian wusste, dass die Gutsherrin stark genug sein würde, um die Wahrheit zu ertragen. Er legte seine Hände auf ihre Schultern und blickte sie geradeheraus an.
„Ich kann es nicht mehr, Ellen. Ich kann ihr nicht mehr verzeihen. Ich muss mich von ihr befreien, sonst geht darüber noch das Reich zugrunde.“
Ellen Marsvin nickte. Sie nahm die Hände des Königs, küsste sie und knickste.
„Ich muss mich für ihr Verhalten entschuldigen. Sie ist eine törichte Frau gewesen, und Gott allein weiß, wie sie ihr Leben mit dieser Schuld fortführen wird. Wohin lasst Ihr sie bringen?“
„Nach Laesø.“
Die Gutsherrin stöhnte auf. Die Insel im Kattegat war ein unwirtlicher Flecken aus Heideseen und Moortümpeln, zwischen denen vereinzelte sturmgebeugte Birken und Kiefern standen. Ihre Bewohner lebten vom Fischfang – und vom Salz. Auch der König unterhielt dort eine Salzsiederei. Jedes Jahr im Herbst machten sich die Frachtschiffe mit der wertvollen Ladung auf den langen Weg zum Festland.
„Die Einsamkeit wird sie töten, Sir.“
„Die Stille wird sie zu sich führen. Vielleicht erkennt sie ihre Schuld und findet zu Gott. Und vielleicht kann ich ihr eines Tages verzeihen. Es wird ihr an nichts fehlen. Sie ist die Mutter meiner Kinder, und ich habe nicht vor, sie ins Elend zu stürzen.“
„Sir …“
Christian hob die Hand, um die Gutsherrin zum Schweigen zu bringen. Sein Entschluss war gefasst. Buchwald sollte die Gräfin begleiten und dafür sorgen, dass sie die Insel mit ihren wortkargen Bewohnern auch wirklich erreichte.
„Ich muss Buchwald instruieren.“
Inzwischen hatten die Knechte einen Wagen aus der Diele
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