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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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Künstler nach Kopenhagen, das Leben zu feiern und der Schönheit ein Denkmal zu setzen.
    Wiebke und ich waren auf Dalum geblieben. Ellen Marsvin hatte den König gebeten, die Kinder auf dem Gut zu lassen und sie nicht in fremde Hände zu geben. Seine Majestät hatte nach kurzem Zögern eingewilligt. Dann bat sie darum, auch uns bei sich behalten zu dürfen. Wir wären gute Mädchen, hatte sie erklärt, und der König sollte uns nicht in seinem Zorn auf die Gräfin davonjagen.
    So übernahmen wir die Erziehung der Kinder, und während die Kriegsdämonen das Rad der Gewalt von Neuem in Schwung setzten, lebten wir in einer friedlichen Welt. Vergessen von den Wirren des Schicksals in einem Raum, der uns zeitlos schien.
    – Ende Buch I –

BUCH II

DAS GLÜCK
Kopenhagen, März anno 1630
    Briefe, Briefe, Briefe … an die „Verehrteste Exzellenz“, „Ihre Majestät König Christian“, an den „König aller Dänen und Norweger“, an „Unseren großen König Christian“ … Es waren die Briefe seiner Untertanen, die ihn in den vergangenen Jahren nicht erreicht hatten. Nicht wichtig genug, um ihm in seinen Krieg zu folgen. Und doch hatten sie auf ihn gewartet, hier in der Scrivestue, im Studierzimmer seines Palastes. Körbeweise und mit Schnüren zu handlichen Päckchen gebündelt. Manche schon vergilbt, da sie über Jahre in der Intimität seines Kabinetts lagerten. Begierig, gelesen zu werden und einen Moment der königlichen Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Sein Schreibtisch ertrank unter dieser Schriftflut.
    König Christian griff in einen der Stapel, wahllos, und zog das erste Schreiben heraus. Ein Pastor aus Ribe bat um seine Gunst und eine Gabe für seine jütländische Gemeinde: „… denn wir besitzen hier nicht einmal mehr Kerzen, um den Altar zu beleuchten.“ Der Gottesmann hatte seinen Brief vor mehr als fünf Jahren aufgegeben, jetzt sollte er von seinem König hören. Christian setzte sein Signum darunter, das geschwungene C und darin eingefügt die 4, kleiner, fast wie das Segel eines Schiffs. Er stellte sich vor, wie das feste Papier mit dem glänzenden roten Siegel das Dorf erreichte. Ein paar Münzen darin und – viel mehr noch – der Beweis seiner sorgenden Liebe.
    Und so ging es weiter: C4, C4, C4 … Er bewilligte Gelder, schlichtete Streit, bedankte sich für gute Wünsche, kündigte seinen Besuch an – „irgendwann, wenn es Gott gefällt.“ Ich belohne jeden Bittsteller für die Dreistigkeit seiner Hoffnungen, dachte er. Ich schreibe mir meine Schuld von der Seele. Jeder beantwortete Brief ist eine Bitte um Vergebung an mein Volk.
    Christian ordnete sein Reich. Er beschenkte das Volk, seine Dänen, und bewarb sich von Neuem um ihre Liebe. So wie er es als junger Monarch nach dem Tod seines Vaters schon einmal getan hatte. Plötzlich musste er daran denken, wozu ihn sein Vater so häufig ermahnt hatte: „Du musst das Kleine bedenken, wenn das Große gelingen soll.“ Damals hatte er den Sinn dieses Ratschlags nicht ermessen können, damals, als seine Welt noch Staunen war, nichts als das glückliche Staunen eines Kindes.
    Es herrschte Frieden, endlich. Das erste Mal nach so vielen Jahren musste er nicht fürchten, dass die Welt um ihn herum in Stücke brechen könnte. Seit dem Lübecker Frieden standen Dänemarks Grenzen fest, und welches Chaos sich dahinter abspielte, in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden, wollte er nicht erfahren: Das Restitutionsedikt des Kaisers – er mochte kein Wort mehr davon hören. Die Erfolge des Königs von Schweden – er trug sie mit Gleichmut.
    „Es ist keine Abkehr von der Welt“, sagte er sich. „Nur eine Besinnung auf mein Reich, auf das Glück meiner Dänen. Auf unsere Stärke und Zukunft und auf die Liebe Gottes.“
    Das Fundament seines neuen Selbstbewusstseins bildeten die Kredite der Kopenhagener Kaufleute. Sie hatten ihm seine Keller mit Gold und Silber gefüllt, ihm klingende Argumente gegen den Adel im Rigsråd geliefert. Doch der Wohlstand, Garant seiner neuen Stärke, war ihm nur auf Zeit gegeben. Er musste die Kredite zurückzahlen, samt Zins und Zinseszins. Jeder Tag, den Gott der Herr wer- den ließ, ließ seine Schuld um eine Handvoll Goldmünzen anwachsen. Jeder Monat machte eine Kiste daraus, und ein Jahr schließlich füllte eine schwere Truhe an zusätzlichen Lasten. Allein die Sund- und Elbzölle könnten ihm helfen, sich von diesen Schulden zu befreien, und alle Ordnung wiederherstellen. Irgendwann, dachte er, wenn der

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