Das Königsmal
Wäldchen. Nur wenige Dinge wollte sie mitnehmen, ihre Gedanken, das Hündchen, ihren Schatz, dessen beruhigendes Gewicht sie bei jedem Schritt in ihrem Rocksaum spürte. Sie drehte sich um und pfiff nach dem Mops. Noch ein letztes Mal kehre ich zurück auf das Gut und dann, mein Liebster, dachte sie, bin ich allein deine Rose. Dein kostbares Liebesgewächs, deine Blüte, die ein Geheimnis umschließt, und du entblätterst mich, wie es dir gefällt.
Hechelnd tauchte der Hund neben ihr auf, sie bückte sich, legte die Blumen zur Seite und hob ihn hoch. Wie lieb sie dieses kauzige Geschöpf gewonnen hatte. Sie steckte ihre Nase in das kurze, glatte Fell, das nach Erde und Kiefernadeln roch. Aus dem dichten Grasfilz zu ihren Füßen leuchteten ihnen goldene Pilze entgegen.
„Wir beginnen ein neues Leben, mein Schatz“, flüsterte sie in das samtene Öhrchen. „Keine lästigen Pflichten mehr, keine erzwungene Liebe. Nur noch mein freier Wille …
Was hatte sie um ihren Plan gezittert, als Christian aus seinem verlorenen Krieg zurückgekehrt war. Lass mir meinen Willen, alter Mann, hatte sie gedacht und war ihm aus dem Weg gegangen. Aber der König bemerkte ihre Anwesenheit gar nicht. Benommen taumelte er durch seine Räume und zog das übliche Gefolge an Offizieren und Beratern hinter sich her. Das herrliche Dänemark, natürlich, nichts anderes beherrschte seine Gedanken.
„Madame!“ Wiebkes Mädchenstimme drang an ihr Ohr. Sie stand vor den Stallungen und winkte ihr zu. Zart sah sie aus in ihrem grünen Kleid, verschmolz beinahe mit dem Blattwerk rings um sie herum zu einem heiteren Gewächs.
„Madame!“ Noch einmal, kräftiger und begleitet von einem aufgeregten Winken. „Madame, Seine Majestät verlangt nach Euch.“
Ausgerechnet! Sollte Christian etwa gerade heute eingefallen sein, dass es eine Frau in seinem Leben gab? Und schlimmer: Sollte er etwa ein Bedürfnis nach Liebe verspüren, nach ihrem Fleisch?
Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre in den Wald gestürzt. Weg, nur weg. Was hielt sie hier denn noch? Doch ihre Vernunft siegte. Sie wollte sich unbemerkt davonstehlen, Vorsprung gewinnen und nicht die Wachen des Königs zu dem robusten Fisch- kutter unten im Hafen führen. Kirsten ließ die Rosen im Gras liegen, das Symbol ihres neuen Lebens, und ging langsam auf Wiebke zu.
„Was schreist du hier herum?“, fauchte sie, als sie das Mädchen erreicht hatte. „Lässt mir nicht mein Vergnügen. Komm, nimm den Hund und folge mir. Wo wartet der König?“
Fast hatte er Wiebke zurückrufen wollen. War es nicht besser, alles zu vergessen, was eben über ihn gekommen war? Die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, die ihr hässliches Gesicht so lange vor ihm verborgen hatte? Den Rheingrafen, diesen Verräter, könnte er später in einen Hinterhalt locken lassen, wo man ihm die Kehle durchschneiden würde. Er verschwände – ein Toter mehr in diesem Krieg. Doch das Mädchen war fort und Kirsten auf dem Weg zu ihm. Nur ein Wunder konnte das Ende noch aufhalten. Das Ende seiner Ehe. Den Tod ihrer Liebe. Und er, Christian IV., immer noch König von Dänemark und Norwegen, glaubte nicht an ein Wunder. Nicht mehr.
Christian hatte sich in den Salon seiner Frau begeben. Er hatte sich in einen der zierlichen Sessel fallen lassen, wartete und ließ den Raum auf sich wirken – die Seele seiner Frau. Jedes Möbelstück verströmte ihren außerordentlichen Geschmack, jedes Detail ihre Liebe für kostbaren Firlefanz. Statuen, filigrane Stickereien, Intarsien und die geliebte Pelzdecke, nachlässig über einen Diwan geworfen, ein Geschenk des russischen Zaren an seinen Vater.
Wehmut überfiel ihn. Er konnte nicht anders, stand auf und griff nach dem Pelz. Sein Geruch überwältigte ihn, die Erinnerung an Liebe, an ein gemeinsames Leben. Fünfzehn Jahre. So viel Gutes war darin gewesen: ihre Verliebtheit, die glanzvollen Jahre seiner Regentschaft, die Pracht Dänemarks, ihre gemeinsamen Kinder, jedes einzelne ein Geschenk.
„Du hast uns verraten, Kirsten.“ Er schluchzte auf. „Du hast mir einen Dolch ins Herz gestoßen.“
Die Zeit stand still. Als sich die Tür hinter ihm öffnete, konnte er sich nicht umdrehen.
„Christian?“ Ihre Stimme erreichte ihn, ungeduldig und überheblich. „Das Mädchen sagt, dass du nach mir verlangst.“
Er ließ die Decke aus den Händen gleiten und schob sie mit dem Stiefel zur Seite.
„Wo warst du?“
„Spazieren, ich habe Zerstreuung
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