Das Königsmal
der sich bis in die Ewigkeit hinaufzuschrauben schien.
Wenn ich die Zeit doch nur dehnen könnte, dachte Christian. Er fürchtete sich vor dem, was er sagen wollte, seit Tagen schon – vor der Unerbittlichkeit seiner Worte. Die ganze Nacht hatte er sie vor sich hin gemurmelt, versucht, ihren Klang zu mildern, ihre grausame Melodie mit Harmlosigkeit zu kaschieren, ihren Sinn zu verrätseln. Immer wieder hatte er sich die verschiedensten Sätze für Wiebke zurechtgelegt, doch es war ihm nicht mög- lich gewesen Worte zu finden, die die dunkle, entsetzliche Wahrheit hätten verschleiern können: Dänemark trat wieder in den Krieg ein.
Es blieb keine Wahl, obwohl sich Christian so lange gegen diesen grauenhaften Entschluss gewehrt hatte. Der Albtraum hatte sich seiner erinnert und seine Nebel ausgeschickt, den König aller Dänen und Norweger zu verschlingen. Es waren die Schweden gewesen, die jede Hoffnung auf eine friedliche Einigung zerstört hatten. Allen Friedensbemühungen des Kaisers zum Trotz, der bereits schwedische, französische und eigene Gesandte mit den Vorarbeiten für einen Friedenskongress in Hamburg beschäftigt hatte. Das Eintreffen des schwedischen Marschalls Lennart Torstensson auf den Schlachtfeldern hatte ein neues Kapitel des Krieges aufgeblättert, auch für die Dänen.
Christian fürchtete Torstensson. Der kalte und gerissene Feldherr, der sein Kriegshandwerk noch unter Gustav Adolf erlernt hatte, war im Frühjahr anno 1642 gegen alles Kaiserliche marschiert – geradewegs auf die habsburgischen Länder zu. Noch bevor Ferdinands Feldherren eine Armee aufstellen konnten, die groß genug war, um gegen die Schweden zu bestehen, hatte man die schwedischen Reiter schon vor Wien gesichtet.
Dennoch war Torstensson vorsichtig geblieben und nicht weiter auf den Sitz des Kaisers zugestürmt. Er hatte sich mit dem Großteil seiner Truppen durch Schlesien nach Sachsen zurückgezogen, wo er den Verbündeten des Kaisers, den schlecht bewaffneten Kurfürsten Johann Georg I., bezwingen wollte. Er belagerte Leipzig, als die Kaiserlichen in Sachsen eintrafen. Torstensson hatte sich im Norden bei Breitenfeld postiert und dort die Habsburger Heere geschlagen – vielleicht noch vernichtender, als es Gustav Adolf elf Jahre zuvor schon einmal gelungen war, dachte Christian.
Der nächste Schlag hatte Holstein gegolten, seinem Land, seinem Volk. Nachdem Christian im Herbst des folgenden Jahres mit dem Kaiser verhandelt hatte und eine große Front gegen die Schweden möglich schien, hatte Torstensson ohne jede Kriegserklärung losgeschlagen, um jede Koalition mit seinen Stiefeln zu Staub zu zertreten. Nachdem er das schutzlose Festland eingenommen hatte, plante Torstensson jetzt, die Inseln anzugreifen und sich dort mit einem von Schonen herüberkommenden zweiten Heer zu vereinigen. Christian hatte große Angst. In dieser tödlichen Umklammerung könnte das ganze dänische Reich in schwedische Hände fallen und er schließlich gezwungen sein, die härtesten Forderungen der schwedischen Krone zu akzeptieren.
Lange hatte sich Christian gegen jeden Gedanken an einen neuen Krieg gewehrt, doch jetzt musste er handeln. Er hatte seine Räte einberufen und endlich begonnen, das bedrängte Dänemark zu rüsten. Alles Silberzeug von Schloss Friedrichsborg war eingeschmolzen worden, um daraus neues Geld für Waffen und Soldaten zu prägen. Mehrere Schiffe stachen in See, um Kriegsmaterial herbeizuschaffen. Der Kaiser war bereit, ein Hilfscorps zu senden. Den ganzen Winter über war der König auf Fünen gewesen, wo er bis Ende Februar blieb, um die Küstenverteidigung zu befehligen. Jetzt ließ er die Flotte und für sich selbst das Schiff Trefoldighed für die Schlacht ausrüsten.
Wiebke hatte alle Kriegsaktivitäten mit Sorge verfolgt, doch er hatte sie lange Zeit beruhigen können.
„Wir verteidigen uns, wir greifen nicht an. Die Kaiserlichen werden kommen, dann muss sich Torstensson zurückziehen. Alle Verhandlungen, die ich in den letzten Jahren geführt habe, werden sich auszahlen.“
Doch nun musste seine Flotte in See stechen und sich auf dem schwarzblauen Grund dem Feind stellen. Holländische Geschwader, die sich mit den Schweden verbündet hatten, weil sie gegen die dänischen Sundzölle aufbegehrten, hatten Torstensson gefährlich verstärkt. Sein Inselreich war in größter Gefahr.
Im Hafen wartete Christians Flotte auf seine Befehle, neun Schiffe ersten und zwanzig Schiffe zweiten Ranges, elf Fregatten
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