Das Königsmal
waren, durch Städte, auf deren Märkten man Hunde, Katzen, Ratten und Mäuse verkaufte und in deren Häusern Rinds- und Schafshäute zu Suppe verkocht wurden. Durch Dörfer, in denen man halbgare Hände und Füße in Kochkesseln und völlig abgenagte Menschenknochen fand. Und in denen kleine Kinder verschwanden und nie wieder auftauchten.
Der Tod fegte durch die Heere wie ein Wind, der aus dem Eis kam. Er unterschied nicht zwischen Arm und Reich, er weidete sich an allen Schwachen und Kranken und zwang die Starken in sein Gefolge. Er wütete in der Sommerhitze und erntete in Kälte und Sturm. Der Tod sprang durchs Reich, er fühlte sich wohl, und mit unbändiger Lust suchte er nach neuen Opfern für seinen irren Tanz. Wenn ich sein Wüten auf einer Karte einzeichnen sollte, müsste ich das ganze Reich in schwarze Tusche tauchen.
Seine Verbündeten waren die Mächtigen, auch wenn sie sich jetzt mühten, die Verwüstungen einzudämmen, nach Schlichtungen suchten und von ihren religiösen Zielen abließen. Der Krieg hatte langsam, aber sicher sein heiliges Gesicht verloren. Doch es war wieder nur eine Maske gewesen, die zu Boden gefallen war und eine noch schrecklichere Fratze freigelegt hatte. Eine Generation von Männern war herangewachsen, die den Frieden nur aus Erzählungen kannte, denen alle Vorstellungen, Gelübde und Ideale ihrer Väter fremd waren. Sie verachteten das Leben, ihre Herzen waren nicht mehr als ein Klumpen rohes Fleisch, sie waren zynisch und ohne jede Achtung und Ahnung von der Liebe. Und so gewannen niedere Ziele und Gelüste die Oberhand: der Drang nach Ruhm, Geld und Besitz. Es waren Männer, die an das Ende der Welt gekommen waren und es nicht schafften, sich abzuwenden und umzukehren.
Die Menschen, das Volk, wir dagegen beteten wie noch nie, innig und für alle Verzweifelten auf Rettung hoffend. Doch unser Gott war verstummt, und bisweilen dachte ich, Er hätte sich anderen Geschöpfen zugewandt, den Krähen vielleicht, die munter in den Bäumen saßen und spöttisch auf uns Elende, die wir das Kreuz des Krieges trugen, hinabzublicken schienen.
Die am schwersten betroffenen Gebiete des Heiligen Reiches, so berichteten Reisende und die Gesandten des Königs nach Kopenhagen, zogen sich von Pommern und Mecklenburg im Nordosten über Thüringen sowie Teile Hessens in der Mitte bis hinunter in den Südwesten an den Rhein. Die Verluste waren dort am größten, wo sich die Armeen sammelten und alles Leben erdrückten, an den großen Flüssen, den wichtigen Straßen und anderen strategischen Plätzen. Wer hier reiste, sah ein Land, in dem alle Städte, Dörfer und Schlösser niedergebrannt waren, wo man in den Gassen über Leichen stolperte und die Elenden fast verhungert am Wegesrand kauerten und um Almosen bettelten.
Glaube, Liebe, Hoffnung – alles Gute war jenseitig, und so war es kein Wunder, dass alles Kirchliche, egal ob protestantisch oder katholisch, nach und nach an Glanz einbüßte. Der Kampf zwischen der Dynastie der Habsburger und ihren Gegnern war nicht länger ein Streit zwischen den Religionen und der himmlischen Gnade, sondern hatte sich zu einem Kampf der Völker um Macht und Einfluss entwickelt. Es waren jetzt „die Franzosen“, „die Schweden“, „die Deutschen“, die in den Berichten der Flugblätter aufeinanderprallten und deren Streit den Krieg ernährte.
Meine Chronik folgt dem Lauf der Ereignisse, und so erinnere ich mich an einen Moment des Innehaltens, anno 1634 im Winter, kurz bevor Bourbonen und Habsburger zusammenstießen. Es war die Zeit, zu welcher Kurfürst Johan Georg von Sachsen mit dem Kaiser verhandelte und sich schließlich mit ihm verbündete, um Schweden und Franzosen aus dem Reich zu drängen. Die Verhandlungen mit Ferdinand II. führten zum Frieden von Prag, dem sich viele Reichsfürsten anschlossen. Er führte zu einer Auflösung der katholischen Liga, und auch das protestantische Bündnis fiel auseinander.
Doch dann wurden die Kämpfe durch eine Kriegserklärung des Kaisers an Frankreich wieder aufgenommen. „Sachsen hat seinen Frieden gemacht“, ließ der französische Staatsmann Kardinal Richelieu drohend verlauten, „aber das wird auf uns bloß die Wirkung haben, dass wir unsere Bemühungen erneuern, alles im Fluss zu halten.“
Auch König Christian blieb misstrauisch, da die schwedische Armee nicht aus Deutschland abgezogen worden war. Vorsichtig ging er selbst auf den Kaiser zu und bot ihm seine Freundschaft an, um seine Positionen
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