Das Königsmal
einen Außenbezirk der Stadt, der ihr noch bekannt war. Nur wenig hatte sich verändert, einige Häuser waren dazugekommen. Sandsteinverzierungen schmückten die Fassaden, sie hatten einen neuen, dunkleren Baustil nach Kopenhagen gebracht, der jetzt auch im Süden modern war. In der Ferne leuchtete ein Turm in der Morgensonne.
„Ich habe so hart für diesen Moment gearbeitet“, murmelte sie.
„Ich weiß“, antwortete Hans Ulrich und ließ den Stoff wieder vor das kleine Fenster fallen. Ungezogen glitten seine Stiefel unter ihren Rock.
Gar nichts weißt du, mein lieber Gyldenløve, dachte sie. Du kennst nur einen Bruchteil der Briefe, die ich geschrieben habe. Du weißt nicht, wen ich alles um Hilfe gebeten habe, wer Gold von mir genommen hat, wer in meiner Schuld steht. Der ganze verdammte Adel, all die feinen Herren, die darauf warten, dass der König einen Fehler macht. Dass sie einen neuen König an seine Stelle setzen können, der ihre Bedürfnisse versteht. Der ihren Besitz achtet und ihre Güter nicht berührt. Ein König, der sich nicht einmischt, der keinen anderen Ehrgeiz in sich trägt, als dem Adel zu dienen.
Sie spreizte die Beine und schloss die Augen. Schon immer hatte sich der Adel, der Rigsråd, allen Reformen verweigert. Es sind ängstliche Männer, dachte sie. Die Furcht, den König zu stärken und an Einfluss zu verlieren, treibt sie. Sie wollen nicht das Beste für das Volk, sie wollen das Beste für sich. So hatten sie sich gierig auf alle Informationen gestürzt, die sie ihnen über Wiebke Kruse hatte liefern können. Doch noch erschien ihnen der König nicht schwach genug, um sich ihm offen und ohne Gefahr entgegenstellen zu können.
Dummköpfe – allesamt. Was hätten sie gemeinsam erreichen können. Vor ihren Augen sah sie die Liste mit den klingenden Namen derjenigen, die schwankten. Corfitz und Ebbe Ulfeldt, Hannibal Sehestedt, ehrgeizige Männer aus großen Familien, die der König sogar mit seinen, ihren gemeinsamen Töchtern verheiratet hatte und die insgeheim doch gegen den Schwiegervater agierten. Sie hatte so vieles erfahren, auch von ihren Töchtern. Nachdem etwa Corfitz Ulfeldt vom König zum Reichshofmeister ernannt worden war, hatte er seine einflussreiche Stellung sofort benutzt, um sich gierig zu bereichern und den König ganz offen zu desavouieren.
Kirsten wusste, dass die Regierung dem König schon viel früher Gelder für die Verteidigung des Landes hätte bewilligen können. Niemals wäre Dänemark in diese gefährliche Situation geraten, dachte sie. Jetzt, von allen Seiten durch die Schweden bedrängt, würde Christian sein Land nur noch mit Gottes Hilfe verteidigen können.
Doch Gott war schon seit Längerem auf ihrer Seite, das spürte sie. Er hatte ihr diesen wunderbaren Mann zugeführt, der jetzt ihre Röcke hochschob und sie zu sich zog. Gott hatte sie wieder in seine Arme geschlossen, sie nach Kopenhagen zurückkehren lassen, und das Letzte, was sie sich von diesem Gott wünschte, war ein Sieg für Christian.
Sie küsste Hans Ulrich, und seine Lippen öffneten sich sofort, um ihr Begehren einzulassen.
„Wie lange fahren wir noch?“, flüsterte er, während er sich näher an sie heranschob.
Sie antwortete nicht, sondern überließ ihm träge ihren Körper. Das Schaukeln des Wagens wiegte sie in seinem Schoß, und schläfrig genoss sie seine Zärtlichkeiten, bis Wellen der Lust ihrer beider Körper überrollten.
Du hast gelernt, Gyldenløve, dachte sie. Nie hätte sie gedacht, dass sich der Bastard des Königs zu ihrem Favoriten entwickeln könnte. Inzwischen war ihr Christians Sohn ein unersetzlicher Verbündeter im Kampf gegen die Rivalin. Er bestärkte sie in ihren Plänen und Ansprüchen an den Palast, er glaubte an ihre Worte und an ihre Schönheit. Ihr Körper war ihm heilig, und sein Begehren fesselte sie aneinander.
Zu Beginn ihrer Liebschaft, als sie ihn in Geduld und Raffinesse unterwies, hatte sie seine Unschuld, sein kindliches Spiel gerührt, und sie hatte ihm alle anderen Eskapaden, nach denen sie verlangte, verheimlicht. Inzwischen jedoch beherrschte Hans Ulrich es virtuos, ihr Verlangen zu stillen. Er schenkte ihr jeden Beweis seiner Liebe, den sie ihm abverlangte, und hatte jede Erinnerung an den Rheingrafen verdrängt.
Wie herrlich wäre es, Christians Spross im königlichen Palast zu lieben. Kirsten stellte sich vor, wie sie ihre Gemächer zurückeroberte, Einzug hielt in Marmor und Goldglanz, wie sich Seide und Brokat um ihren
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