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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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und Galeeren, eingeteilt in drei Geschwader. Oben, vom Turm aus, würde er sie sehen können, ihre unbeugsamen Masten, das eingerollte, abwartende Segeltuch, die stolzen Wappen. Morgen früh wollte er an Bord der Trefoldighed gehen und alles verteidigen, was seine Welt mit Sinn erfüllte: sein Reich, sein Volk, seinen Glauben, die Sundzölle und nicht zuletzt die Zukunft seiner Liebe. Er fürchtete, dass eine Niederlage auch Wiebke, ihre geduldete Existenz an seiner Seite, in Gefahr bringen könnte. Die missgünstigen Schatten waren in seinem Rücken zu einer mehr als bedrohlichen Gefahr für seine Liebe herangewachsen.
    Christian schwankte leicht, als er sich den Wendelgang hinaufschob. Wieder nahm sie seine Hand, die kalt und feucht war, und stützte ihn behutsam. Langsam folgten sie den weiten Schleifen der Bodenfliesen, die in kaum merklicher Steigung in Richtung Himmel führten. Ihre Schritte hallten in der steinernen Stille, es war ein beklemmendes Geräusch, unerbittlich in seinem Rhythmus.
    Wiebke suchte Christians Blick, doch er hatte seine Augen fest auf den Boden gerichtet, als ob er sich darauf konzentrierte, nicht in einen Abgrund zu fallen. Er ist weit über sechzig Jahre alt, dachte sie, und die Gedanken an den Krieg lassen ihm keine Ruhe. Er hat Angst, Angst vor meinen Ahnungen. Er fürchtet sich, mir die Wahrheit zu sagen. Ein Lichtstrahl, der von außen durch die hohen Rundbogenfenster hineinfiel, traf ihren Rock, und sie zuckte zusammen, als ob das Unglück sie streifte.
    Dieser Krieg ist wie ein hungriges Raubtier, das uns verfolgt, dachte sie. Immer wieder nimmt es Witterung auf und sucht einen günstigen Moment, unsere Schwäche zu nutzen, um uns hinterrücks anzufallen. Es wird uns mit seinen Pranken zu Boden reißen, seine Zähne in unsere Hälse schlagen, das Blut schmecken und in einen fürchterlichen Rausch geraten. Wiebke zitterte.
    Mit Entsetzen hatte sie die Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate verfolgt. Der schwedische Überfall auf Holstein war fürchterlich, und sie hatte inzwischen jede Hoffnung aufgegeben, ihre Familie noch einmal zu sehen. Glückstadt und Krempe wurden belagert, Schweden und Holsteiner belauerten einander. Es hieß, die Bauern hätten sich zusammengerottet, um feindliche Transporte, Vieh oder Proviant aus dem Hinterhalt abzufangen und den schwedischen Truppen Schaden zuzufügen. Doch gegen den übermächtigen Feind konnten die schlecht bewaffneten Holsteiner wenig ausrichten.
    Als Christian nach Fünen geeilt war, um die Küstenlinie zu verteidigen, hatte sie ihn begleitet. Doch jetzt, so ahnte sie, musste er den offenen Kampf um die Ostsee wagen. Er sucht nach Worten, mir seinen Abschied begreiflich zu machen, dachte sie. Alles, was ich für ihn tun kann, ist, ihm dabei zu helfen. Vielleicht mit einem Lächeln.
    Sie waren angekommen. Wiebke öffnete die auf die Plattform hinausführende Tür, die den Runden Turm mit der Weite des Himmels verband. „Da sind wir in unserem Himmel.“ Sie atmete tief ein und zeigte auf einen Schwarm Vögel, der in nördliche Richtung flog.
    „Ja, da sind wir.“ Christian zog sie mit sich an die Brüstung, an der sie immer eine Weile still zusammenstanden und den Blick auf Kopenhagen genossen. Vom Turm aus konnte man erkennen, wie das Wasser die Stadt am Meer geformt hatte. Ihre Gebäude schmiegten sich an die glitzernden Wasserläufe des Kaufmannshafens. Wiebke konnte die mächtigen Kirchen der Stadt erkennen, den Turm der Börse mit seinen verschlungenen Drachenschwänzen, das Arsenal und die Speicher am Hafen, die herrlichen Wohnhäuser der Kaufleute, die königlichen Schlösser und dazwischen das schattige Gewirr der engen Gassen. Inzwischen war die Sonne auf ihrer Bahn vorangeschritten und hatte die Dächer der Stadt in Licht getaucht. Grün und golden schillerte das Kupfer der mächtigen Gebäude, die das Wasser säumten und kleine Inseln innerhalb der Stadt bildeten.
    Auf der Baustelle der angrenzenden Trinitas-Kirche hatten die Handwerker mit ihren Arbeiten begonnen. Von oben konnte man das dreigeteilte Kirchenschiff mit seinen achteckigen Pfeilern gut erkennen. Tauben flogen auf, als die Männer lärmend Backsteine übereinanderschichteten.
    „Christian.“ Wiebke hatte sich entschlossen, ihm entgegenzukommen. „Christian, wir sind hier, weil du Nachrichten bekommen hast. Ich habe die Boten gesehen, die gestern dein Kabinett verließen.“
    Christian war hinter sie getreten und hatte seine Arme um sie

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