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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Burseg
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rundes Gesicht mit ebenmäßigen Zügen unter goldenen Augen. Sie bewegte sich vorsichtig, fast zögernd, sodass alles an ihr anmutig schien, auch ihre Gesten.
    Der Eindruck von Schönheit jedoch entstand vor allem durch die Lebensfreude, die sie ausstrahlte, ihre Herzenswärme, die auch die Kinder spürten. Die Kleinen wollten sich bei niemandem anders gedulden, aber in Wiebkes Nähe wurde selbst die aufbrausende Eleonore Christine weich wie Wachs.
    Doch die kleine Wäscherin – so nannten wir Wiebke, denn der König hatte sie an einer Waschbrücke aufgelesen – war unerfahren, fast eingeschüchtert, und so nahm ich mich als erste Hofdame ihrer an.

DIE GRÄFIN
Steinburg in Holstein, Herbst anno 1625
    Helle Flammen loderten in der offenen Feuerstelle und verbreiteten angenehme Wärme. Obwohl auf den kühlen und meist nassen Sommer ein milder Herbst mit goldenen Sonnentagen gefolgt war, blieben die dunklen Räume von Burg Steinburg stets klamm. Kein Sonnenstrahl drang durch die schmalen Fenster, und die dicken Wände schotteten ihre Bewohner gegen den letzten glücklichen Hauch dieses Oktobernachmittags ab.
    Wiebke stand am Fenster der großen Wohnhalle und blickte auf den Wassergraben hinunter, der die Festung umschloss. Ein Schwanenpaar glitt auf dem grünen Wasser auf und ab und tauchte nach Nahrung. Schwarze Wasserhühner und einige Enten sonnten sich am Ufer, die schillernden Köpfe unter den Flügeln verborgen.
    Vor mehr als dreihundert Jahren hatten holsteinische Grafen die dreitürmige Trutzburg an der Grenze von Marsch und Geest errichtet. Hier stießen die der Nordsee abgerungenen, flachen Marschen mit ihren fruchtbaren Böden auf die durch die Eiszeiten entstandene sandige Geest. Eine Landschaft der Gegensätze – Kargheit und Überfluss, Arm und Reich prallten aufeinander und prägten die Menschen, die als verschlossen und dickköpfig galten.
    Jetzt war die Burg der wehrhafte Sitz des Steinburger Amtmannes, der im Auftrag des Königs Gericht hielt, Steuern eintrieb und für die Verwaltung des Landes zuständig war. Dazu gehörte auch die Aufsicht über Wege und Deiche, der Schutz des Landes vor den Schäden der winterlichen Sturmfluten.
    Bei seinen Reisen durch die Herzogtümer diente die Burg König Christian als Stützpunkt. Ihre Prachtwohnung stand jederzeit für ihn und sein Gefolge bereit. Ochsenrot leuchtende Samtvorhänge, farbenfrohe Gobelins mit höfischen Szenen und schweres Mobiliar sollten dem Landesherrn auch fernab der Kopenhagener Residenzen ein behagliches Leben ermöglichen.
    Als Wiebke vor etlichen Wochen auf Steinburg angekommen war, hatte sie kaum gewagt, die Räume zu betreten. Sie konnte sich nicht vorstellen, inmitten dieser großzügigen Pracht zu arbeiten und zu leben. Zum ersten Mal sah sie Betten, die nicht nur aus einem Holzkasten und einer Lage Stroh bestanden. Die Möbel erinnerten mit ihren reichen Schnitzereien an kunstvolle Bauwerke und waren mit einem prächtigen Himmel verziert. Der Baldachin sollte die süßen Träume des Schlafenden einfangen und ihn gegen die Einflüsterungen des Teufels schützen. Sie fühlte edle Stoffe, die so fein waren, dass sie sich wie ein Hauch auf die Haut legten. Auf den Tafeln glänzten silberne Pokale, fein geblasenes Glas und Teller aus einem harten, aber zugleich zerbrechlichen Material, das so kostbar wie Gold war. Die mit leichter Hand bemalten Stücke sollten aus einem entfernten Reich stammen – so weit entfernt, dass man dort sogar in einer anderen Zeit lebte.
    Auch die Teppiche kamen aus entlegenen Erdwinkeln. Sorgsam vermied sie es, einen Fuß auf die Kostbarkeiten zu setzen, welche die Böden so verschwenderisch wie Stroh bedeckten. Schließlich hatte der König sie lachend gefragt, warum sie die Räume wie ein im Wind kreuzendes Schiff durchquerte.
    „Immer geradeaus, das ist der rechte Weg“, hatte er sie geneckt. „Wenn meine Männer mit ihren derben Stiefeln hier ein und aus gehen, dann müssen sich die zarten Füße der kleinen Wäscherin erst recht nicht genieren.“
    „Die kleine Wäscherin“, so hat man mich tatsächlich in den königlichen Haushalt eingeführt, dachte Wiebke. Nachdem ihr Vater sie schweren Herzens hatte ziehen lassen, verließ sie Bramstedt mit den Männern des Königs. Die Nacht vor der Abreise hatte sie kaum schlafen können. Die Aufregung hatte ihr unruhige Träume beschert, die sie schon lange vor Sonnenaufgang aus dem Bett trieben.
    Am Morgen schnallte man ihr kleines Bündel auf eins der

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