Das Königsmal
Moritz für die protestantische Sache zu gewinnen. Dann könnte er Tilly in den Rücken fallen. Christian selbst wollte entlang der Weser vorrücken und Tilly mit einem Frontalangriff konfrontieren.
Aber noch war es nicht so weit.
„Möge Gott uns beistehen“, sagte er laut und erhob sein Glas. Er blickte in ernste Gesichter, in denen er die Sorge um die Heimat lesen konnte. Doch er war sich sicher: Sie alle standen zu ihm, zu ihrem König. Er durfte sie nicht enttäuschen.
Johanna von Krabbe, erste Hofdame am Hof Christians IV.: Aus ihren geheimen Aufzeichnungen
Vor dem großen Krieg war mein Leben in Kopenhagen geordnet, bestimmt durch die Launen der Herrin, der ich diente. Den König selbst nahm ich nur als Kontur im Hintergrund wahr – umgeben von Dutzenden von Lakaien, Höflingen und Generälen, die jedem seiner Befehle unverzüglich Folge leisteten.
An seiner Seite und doch in einer eigenen Welt, die Gräfin: Kirsten Munk, die Tochter Ludwig Munks, einst angesehener Amtmann zu Korsör, bis der Tod ihn früh in sein Reich geholt hatte. Sie war eine Frau von katzengleichem Temperament, die gerade noch zufrieden schnurrte und im nächsten Moment kratzen und zerfleischen konnte. Kokett und schillernd, aber auch habgierig und hartherzig. Ihre Wutanfälle waren berüchtigt. Wenn Höflinge ihre zornige Stimme durch die Korridore schallen hörten, mieden sie diesen Flügel des Schlosses, um nicht zum Ziel ihrer Wut zu werden.
Die Gräfin verfügte über einen scharfen Verstand. Sie dachte schnell und erfasste sofort, welche Bemerkungen und Taten ihren Zielen dienen könnten. Ihre Unverschämtheit kannte keine Grenzen, und doch konnte keine Frau am Hof neben ihr bestehen, obwohl einige sehr schön waren. Auf einem Ball fesselte Kirsten Munk die wie vom Donner gerührten Männer mit einem Blick ihrer grünen Katzenaugen. Sie war der Mittelpunkt, und der Hof drehte sich um sie.
Für Seine Majestät den König war sie die perfekte Frau – in ihren frühen Ehejahren war sie ihm ein fröhliches Kind, eine lustvolle Gespielin und unterhaltsame Gefährtin. Seine erste Ehe mit Anna Katharina von Brandenburg hatte weniger Liebe als Pflicht geprägt, nun gab sich der König seiner Verliebtheit zärtlich hin. Man sagte, Christian liebte die gemeinsamen Kinder mit Kirsten Munk mehr als seine erstgeborenen Söhne, die er für die Krone hatte zeugen müssen. Er besuchte seine Söhne und Töchter häufig und beaufsichtigte ihre Erziehung.
Mätressen hingegen gab es am königlichen Hof nicht. Es wurde geflüstert, der König unterhielte hin und wieder eine Liebelei auf einem Feldzug. Dann zog er unverheiratete Frauen vor, um die Sünde des Fleisches zu halbieren. Seine Frau hingegen durfte kein gewöhnlicher Sterblicher berühren, denn sie hatte die Weihen der königlichen Umarmung empfangen.
Aber die Gräfin dachte nicht daran, ihre Gunst allein dem König zu schenken. Bisweilen schickte sie nachts ihre Zofen und Hofdamen vor die Tür, drehte den Schlüssel im Schloss und wünschte gegen alle höfischen Sitten, allein zu schlafen. Doch sie blieb nie allein. Ihr Galan fand einen Weg zu ihrer Nacktheit, die im Kerzenlicht wie Seide schimmerte. Die Zofen dagegen zitterten vor einem plötzlichen Besuch des Königs, vor seinem Zorn, vor dem Eklat.
Als der große Krieg über Europa brach, als sich der Schatten des Todes über alles legte und alles, alles zerstörte, zerriss auch das Band zwischen Seiner Majestät und der Gräfin. Der Riss zog sich langsam durch das Gespinst aus Abhängigkeit und Begierde, Gewohnheit und Hoffnung. Er faserte es auf, legte die Stränge bloß, bis am Ende nur ein Fädchen blieb, das den Ereignissen nicht standhielt. Nicht standhalten konnte.
Viele sagen heute, Wiebke Kruse sei die einzig Schuldige. Sie hätte den durch Schönheit verführbaren König an sich gefesselt, die Ehre der Gräfin Munk verraten, ja Dänemarks Untergang verschuldet. „Das Waschweib“, zetern sie, „das Waschweib hat den König verhext.“
Doch Seine Majestät ist nicht durch ihre äußerlichen Reize bezaubert worden. Ihre innere Schönheit hatte ihn verführt, ihre klugen Gedanken, ihr warmes Herz.
Sie leuchtete von Innen heraus, und ihr Strahlen berührte auch mich. Als ich Wiebke Kruse das erste Mal sah, war sie mir ein Rätsel. Ein Mädchen vom Land mit bäurischen Sitten und einfacher Sprache, aber mit großer Klugheit und eigener Moral. Sie war groß, aber nicht zu groß, hatte eine schöne Figur und ein
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