Das Königsmal
Packpferde, während sie kurzerhand hinter Wolf von Buchwald aufs Pferd gesetzt wurde. Mit einer Kutsche wollten sich die Männer nicht belasten. Den mehrstündigen Ritt auf einem eigenen Tier traute man ihr nicht zu. Dabei konnte sie hervorragend reiten – zu Hause hatte sie es geliebt, mit dem Hofgaul über die Weiden zu galoppieren und dessen Kraft zu spüren. Nach der Ankunft hatte sie sogar der ungeduldige Buchwald gelobt, an dessen breiten Rücken sie sich geschmiegt hatte. So weich und gekonnt war sie den Bewegungen des Pferdes gefolgt.
Auf Steinburg war Wiebke Johanna von Krabbe unterstellt worden. Die erste Hofdame der Gräfin Munk hatte sie mit ihren Aufgaben vertraut gemacht und sie in das höfische Leben eingewiesen.
„Du gehst mir bei Madame zur Hand“, hatte sie erklärt. „Wir müssen zur Stelle sein, wenn sie uns braucht. Tag und Nacht. Wir sind ihre Schatten, die sie mit Bequemlichkeit umfangen.“
Die Dänin aus niederem Adel war seit vielen Jahren im königlichen Dienst. Das angenehme Leben bei Hofe war ihr anzusehen. Gutes Essen und die Annehmlichkeit von weichen Betten, eleganter Kleidung und einem wöchentlichen Bad ließen die bald fünfundzwanzigjährige Johanna noch immer wie ein junges Mädchen blü- hen. Ihr langes, dunkles Haar glänzte, die Haut leuchtete rosig und ihre Hände waren wunderbar glatt und samtig.
Lediglich die feinen Linien um Augen und Mund zeigten, dass die Zeit nicht spurlos an der sanften Dänin vorbeigezogen war. Manche Sorgenfalte verdankte sie wohl auch den Launen ihrer Herrin. Schon nach wenigen Tagen hatte Wiebke den wechselhaften Charakter der Gräfin zu spüren bekommen. Als ihr beim Ankleiden einer der samtbezogenen Schuhe aus der Hand gerutscht war, hatte Kirsten Munk sie mit Beleidigungen überschüttet.
Doch die meiste Zeit hatte sich die Herrin ihres neuen Mädchens geduldig angenommen und ihr die kleinen Ungeschicklichkeiten und ihr Unwissen nachgesehen. Wie konnte Wiebke die komplizierten Rituale denn kennen, die morgens und abends beim An- und Auskleiden der Gräfin vollzogen werden mussten? Dann tanzten zwei Paar Hände wie ein Ballett über den Frauenkörper, schoben Röcke und Spitzenhemden übereinander, schnürten Korsagen und schlossen winzige Häkchen oder Perlenknöpfe. Die prächtige Haarflut wurde aufgesteckt, dann halfen die Frauen bei der Auswahl des Schmucks für Hals und Ohren.
Die kostbaren Kleider der Gräfin waren in riesigen Reisetruhen aus Kopenhagen gekommen, eine Flut von Samt- und Seidenstoffen in berauschenden Farben. Eine weitere Kiste transportierte Kostbarkeiten, ohne die Kirsten Munk auch im Feld nicht sein konnte: eine prächtige Pelzdecke für ihr Bett, in dem sie auch tagsüber viele Stunden verträumte. Öle, Kerzen und Seidentücher, die den Raum in eine duftgeschwängerte Höhle der Weiblichkeit verwandelten. Kostbare Kissen aus Brokat, Pfauenfedern, kleine Statuetten nackter Tänzer und einige Romane.
Einer dieser Bände umschloss ein kleineres, geheimes Buch, in das Kirsten ihre Gedanken und Träume notierte und zwischen dessen Seiten sie Briefe aufbewahrte. Doch das hatte Wiebke nur zufäl- lig entdeckt, als ihr versehentlich ein Stapel Bücher aus der Hand gerutscht war. Gut, dass sie in diesem Moment niemand beobachtet hatte. Schnell hatte sie das Büchlein mit dem Titel Gedanken wieder an seinem Platz versteckt.
Die Ausbildung zur Zofe beanspruchte Wiebkes ganze Aufmerksamkeit. Eigentlich konnten nur adlige Mädchen zur Kammerjungfer erzogen werden. Ihr Stand verlangte eine edle Herkunft und eine hervorragende Erziehung, hatte Johanna dem Mädchen erklärt – erstaunt über sein bäuerliches Elternhaus. Dann hatte sie die Tugenden aufgezählt, die eine Zofe auszeichnen sollten: Schönheit, Anmut und Geschmack, ein gewisses Unterhaltungstalent, Verstand und Bildung, gutes Benehmen, ein würdiges Auftreten, Taktgefühl sowie ein heiteres Wesen.
„Es ist eine Kunst, allen Launen der Herrschaften mit einem Lächeln zu begegnen“, hatte sie seufzend hinzugefügt. „Wir sind die Seelen des Palasts – immer freundlich, dezent und möglichst unsichtbar.“
Dann hatte die Hofdame sie ernst in die Pflicht genommen: „Die Herrin muss sich deiner sicher sein, Wiebke – deiner Diskretion und Disziplin, denn du hältst dich stets im engsten Kreis der königlichen Familie auf. Du musst gegenüber jedermann höflich und gegenüber der Gräfin ehrerbietig sein. Als Zofe bist du Gesellschafterin bei Spaziergängen,
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