Das Kommando
in ein Sieb und sah durch den aufsteigenden Dampf zu ihr hin. Sie hatte das Haar in einem Pferdeschwanz straff nach hinten gebunden. Von ihm schien sie noch keine Kenntnis genommen zu haben. Vielleicht war es besser, Kennedys Rat zu folgen, und so sagte er: »Schatz, ich möchte dir sagen, dass mir mein Verhalten sehr Leid tut. Ich hätte dich nicht im Ungewissen lassen sollen und verspreche, dass ich mich künftig bessern und dir sagen werde, was los ist.«
Ohne ihn anzusehen, stocherte sie weiter im Briefstapel herum und nickte leicht. Es sollte wohl weniger bedeuten, dass sie seine Entschuldigung annahm, als dass sie gehört hatte, was er sagte.
Er sah sie aufmerksam an. Er war nicht ganz sicher, wie das Spiel jetzt weitergehen sollte. Mit jeder Sekunde, die sie schwieg, wurde er ärgerlicher. Er hatte den ersten Schritt getan, zumindest konnte sie ihm für den Versuch dankbar sein. Mit einer Stimme, in der keinerlei Versöhnlichkeit mehr lag, fragte er: »Möchtest du irgendwas dazu sagen?«
Sie zuckte die Achseln und ging weiter die Post durch. »Das gefällt mir nicht«, sagte sie, ohne ihn anzusehen. »Ich kann es nicht leiden, wenn mir die Dinge aus der Hand genommen werden. Noch nie hat mich jemand so wütend gemacht. Das bin nicht ich.«
Rapp wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. Sein Gefühl riet ihm, den Mund zu halten und zuzuhören.
»Ich bin nie einem Menschen wie dir begegnet. Es gibt keine Bücher, aus denen man lernen kann, wie man sich als Ehefrau eines Spions verhält.«
Rapp lächelte. »Ich bin kein Spion.«
»Du weißt genau, was ich meine.« Sie hatte wieder die Arme verschränkt, sah ihm aber in die Augen.
Er nickte schweigend.
»Mir ist klar, dass ich keinen Mann geheiratet habe, der von neun bis siebzehn Uhr ins Büro geht. Ich weiß, wer du bist, ich achte und liebe dich für alles, was du getan hast. Aber du musst auch bedenken, dass ich kein hohlköpfiges Weibchen bin, das pflichtschuldig zu Hause wartet, bis du abends heimkommst, und nie etwas anderes fragt als ›Wie war dein Tag?‹.« Sie wies auf sich. »Ein solcher Mensch bin ich nicht… und meine Mutter war es auch nicht. Ich will nicht losgelöst von dir leben. Ich muss wissen, was du tust.« Sie hielt inne, als sie sah, wie sich seine Züge verfinsterten. »Mitch, ich weiß, was du denkst, aber ich kann den Mund halten, und ich käme nie im Leben auf den Gedanken, jemandem etwas zu sagen, das deine Sicherheit gefährden könnte.«
»Und was ist mit der Sicherheit des Landes?«, fragte er.
»Mich interessiert es überhaupt nicht, wie die CIA- Zuträger im Irak heißen. Ich will nur wissen, was du tust. Es ist einfach unerträglich, nicht zu wissen, wo du bist oder was du treibst.«
Nie in seinem Leben hatte er außerhalb des Berufs jemandem über sein Tun und Lassen Rechenschaft ablegen müssen und stets eine saubere Trennlinie zwischen Arbeit und Privatleben gezogen. Die bloße Vorstellung, einem anderen Menschen etwas darüber sagen zu sollen, war ihm beklemmend fremd. Doch er begriff, dass Anna von ihrem Standpunkt aus Recht hatte. Falls man sie Knall auf Fall ins Ausland schickte und sie ihm nicht sagte, wohin, warum oder wie lange, würde ihn das um den Verstand bringen. Es musste einen Mittelweg geben, auf dem sie sich treffen konnten.
Schließlich sagte er das Einzige, was ihm möglich war: »Ich habe keinerlei Argumente gegen das, was du gesagt hast, aber du musst verstehen, dass es für mich nicht einfach sein wird. Ich bin nicht unbedingt das, was man einen mitteilungsfreudigen Menschen nennt.«
Darüber musste sie lachen. »Das stimmt. Aber wenn du das zugibst, ist das schon die halbe Miete.«
Als er sie lächeln sah, fühlte er sich sogleich besser.
»Ich verspreche dir, dass ich mir Mühe gebe, aber du musst mir auch versprechen, dass du mich nicht allzu sehr bedrängst. Auch wenn du meine Frau bist… bestimmte Dinge kann ich dir einfach nicht sagen.«
»Und du musst mir versprechen, dass du nie wieder selbst auf diese Weise an einem Einsatz teilnimmst.«
Seufzend stimmte er zu. Sie und Irene hatten Recht. Zwar brachte es seine Arbeit mit sich, dass er nie wirklich sicher sein würde, denn auch in Zukunft würde er sich immer wieder im Auge des Sturms befinden, doch dass er so unmittelbar an der Geiselbefreiung mitgewirkt hatte, war töricht und unnötig gewesen. Es gehörte einfach nicht mehr zu seinen Aufgaben. Er streckte Anna die Arme entgegen, und sie kam auf ihn zu. Während er
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