Das Kommando
Blick in die Runde, bevor er zum Lokal hinüberging.
Um möglichst wenig aufzufallen, betrat er es mit gesenktem Kopf und hochgeschlagenem Mantelkragen. Er drängte sich an den jungen Leuten vorüber, die die Theke umlagerten. Selbst an einem Dienstagabend war das Lokal brechend voll. Bei jedem Schritt achtete er aufmerksam auf die Gesichter um sich herum und suchte nach verdächtigen Anzeichen in seiner Umgebung. Er strebte der Treppe zur Empore entgegen und humpelte nach oben. In diesem Lokal saßen er und Anna immer oben.
Ganz wie er es ihr beigebracht hatte, hatte sie sich mit dem Rücken zur Wand in eine Ecke gesetzt. Mit einem Lächeln, bei dem auf seinem gebräunten Gesicht zwei Grübchen sichtbar wurden, eilte er auf sie zu.
»Entschuldige, Liebling, dass ich zu spät komme.« Lächelnd bot sie ihm ihren Mund. Da gewöhnlich sie diejenige war, die zu spät kam, durfte sie sich nicht beklagen.
Er küsste sie und zog den Mantel aus, wobei er sorgfältig darauf achtete, das Jackett nicht zu weit offen stehen zu lassen, um niemanden durch den Anblick der Waffe, die er im Schulterholster trug, zu beunruhigen. Er setzte sich neben Anna, sodass beide mit dem Rücken zur Wand saßen. Er nahm ihre Hand und fragte: »Wie war dein Tag?«
Sie trank einen Schluck Wasser. »Ziemlich hektisch. Das Attentat auf den Botschafter hat die Leute ganz schön aufgescheucht.«
»Sprich weiter«, forderte er sie auf.
»Ich habe gehört, dass der Präsident völlig aus dem Häuschen war, als er davon gehört hat.«
Er überlegte einen Augenblick. »Es hat ihn nicht gefreut, davon zu hören, aber ich würde nicht sagen, dass er aus dem Häuschen war.«
Anna war nicht sicher, ob er flunkerte oder die Wahrheit sagte. »Und habt ihr schon eine Vorstellung, wer das war?«
»Wir haben ein paar Spuren.«
»Aber nichts, worüber du reden darfst«, beendete sie den Satz für ihn.
Er lächelte und küsste sie erneut. »Allmählich kommst du dahinter, wie der Hase läuft.«
Sie lachte und sagte: »Noch bin ich mit dir nicht fertig.« Dann fixierte sie ihn mit ihren smaragdgrünen Augen. »Wie es heißt, ist der Präsident der Ansicht, dass die Israelis hinter dem Anschlag stecken.«
Rapp spürte, wie sich sein Innerstes zusammenzog. Solche Gerüchte waren keinesfalls im Interesse des Präsidenten. Gegenwärtig gründete sich jeder gegen Israel gerichtete Verdacht ausschließlich darauf, dass er Ben Freidman nicht über den Weg traute. Die wenigen Hinweise, die sie besaßen, zeigten in eine völlig andere Richtung. Das aber durfte er ihr nicht mitteilen.
»Wir haben im Augenblick kaum etwas in der Hand, aber ich glaube nicht, dass die Israelis dahinter stecken.« Eine Kellnerin trat an den Tisch und stellte eine blauweiß-rot gerührte Margarita auf den Tisch. Sie fragte Rapp nach seinen Wünschen, und so gern er das Gleiche bestellt hätte wie Anna, entschied er sich für eine Flasche Lone-Star-Bier.
Als die Kellnerin fort war, beugte sich Anna vor.
»Und warum glaubst du das?«
Rapps Gesicht verfinsterte sich. »Lass uns doch von was anderem reden. Wie geht es deiner Mutter?«
Anna nippte an ihrem Cocktail. »Du erkundigst dich sonst nie danach, wie es meiner Mutter geht.«
»Das stimmt nicht. Wie geht es ihr also?«
»Gut… und jetzt sag schon, warum du nicht glaubst, dass die Israelis etwas mit der Sache zu tun haben.«
Er stand schon im Begriff, den eisernen Vorhang herunterzulassen, dann aber fiel ihm ein, was ihm das beim vorigen Mal eingetragen hatte. Sie war seine Frau, und solange er keine Einzelheiten verriet, konnte es vermutlich nichts schaden, seine Meinung zu äußern.
»Ich weiß eine Menge über die Israelis. Manchmal spielen sie zwar ein bisschen verrückt, sind aber alles andere als dumm. Vorausgesetzt, es gibt nichts über den Botschafter, wovon wir nicht wissen, kann ich mir nicht denken, welchen Vorteil der Mossad darin hätte sehen sollen, ihn aus dem Weg zu schaffen.«
»Außer sie fühlen sich so isoliert«, sagte Anna, »dass sie keinen anderen Ausweg gesehen haben, als damit die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen.«
Rapp schüttelte den Kopf. »Nicht auf dem Boden der Vereinigten Staaten.«
»Und wenn sie nun den Vereinten Nationen eine lange Nase drehen wollten?« Wieder nahm sie einen kleinen Schluck.
»Hätten sie ihn dann nicht besser im Westjordanland getötet und damit vermieden, ihre einzigen wahren Verbündeten vor den Kopf zu stoßen?«
»Möglicherweise konnten sie dort
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