Das Kommando
Paketen von je rund siebzehn Kilo unsichtbar unter einer großen Plane. Sie waren durch ein Gewirr von Leitungen und Zündern miteinander verbunden, die dafür sorgen sollten, dass die ganze Ladung gleichzeitig detonierte.
David setzte langsam zurück, bis er die Straße erreichte, dann fuhr er in Richtung Süden. Weil ein großer Teil von Washingtons Bevölkerung in Regierungsbehörden arbeitete, herrschte um diese frühe Stunde noch nicht viel Verkehr. Über eine Querstraße gelangte er zur Georgia Avenue. Kurz nachdem er an der Howard-Universität vorüberkam, mündete die Georgia Avenue in die 7. Straße. Von dort bis zum Weißen Haus waren es höchstens noch eineinhalb Kilometer. Nachdem er an einer roten Ampel angehalten hatte, bog er rechts ein, wobei er sich so weit wie möglich rechts hielt und darauf achtete, den zahlreichen Schlaglöchern auszuweichen.
Er war viel aufgeregter als bei seinem Attentat auf den Botschafter. Das hing mit Washington zusammen. Von den vielen Überwachungskameras und den verschiedenen Sicherheitsdiensten ging Gefahr aus. Ihm erschien es unfasslich, dass es in einer Stadt, in der es von Polizisten nur so wimmelte, so viele Morde gab. So war das nun einmal in Amerika.
Er versuchte seine Erfolgsaussichten nicht allzu optimistisch einzuschätzen. Er hatte seine Spuren sorgfältig verwischt und stündlich die Website des FBI aufgerufen, weil er mit der Möglichkeit rechnete, dass dort sein Foto mit einem Fahndungsaufruf erschien, aber nichts dergleichen war geschehen. Offenkundig ahnten sie nicht, wer er war. Falls man den Zeitungen glauben durfte, war man auf der ganzen Welt einschließlich Amerika davon überzeugt, dass die Israelis für den Mord an Botschafter Ali verantwortlich waren. Alles verlief nach Plan. Jetzt musste er nur noch den Schlusspunkt setzen, indem er eine so ungeheuerliche Gewalttat beging, dass Israel zum Nachgeben gezwungen sein würde.
Nur wenige hundert Meter vom Weißen Haus entfernt bog er in die Straße ein, die sein Ziel war. Er musste bremsen, weil unvermittelt ein Wagen vor ihm aufgetaucht war. Er fuhr in Richtung Norden zwei Nebenstraßen weiter, auf der Suche nach der günstigsten Stelle zum Parken. Es ließ sich nicht leugnen, dass der Großmufti – so nannte er den saudischen Prinzen bei sich, weil er ihm keinerlei Anspruch auf einen königlichen Titel zubilligte – beträchtlichen Anteil an dieser letzten kühnen Tat hatte. Er hatte David davon überzeugt, dass man Israel am ehesten an den Verhandlungstisch zwingen konnte, indem man die Amerikaner gegen sie aufbrachte. Dazu müsse man nur auf amerikanischem Boden Blut vergießen und könne dann zusehen, wie sie Israel gegenüber die Geduld verloren.
Mehr denn je war David überzeugt, dass diese Aktion die gewünschte Wirkung haben würde. Der französische UN-Botschafter sollte am selben Vormittag um elf Uhr eine Resolution einbringen, in der ein eigener Staat für Palästina gefordert wurde. Alle Mächte außer den Vereinigten Staaten hatten sich dieser Forderung angeschlossen, doch da diese als ständiges Ratsmitglied das Vetorecht besaßen, würde das nicht genügen. Wie es aussah, waren sie gegenwärtig auch nicht bereit, die französische Forderung zu unterstützen. Das aber würde sich ändern, wenn David sein Werk getan hatte. Zwar würde man vermutlich die Abstimmung vertagen, doch die Aussichten, dass sie letzten Endes erfolgreich war, würden gewaltig steigen.
Vorsichtig parkte er den Lieferwagen parallel zum Gehweg und steckte so viele Vierteldollarmünzen in den Schlitz der Parkuhr, dass es bis zum Nachmittag reichte. Er warf einen letzten Blick auf den Wagen. Ja, alles war in Ordnung. Steuer und Versicherungsplakette waren gültig, die Parkuhr lief, und die Sprengladung war weder durch die Windschutzscheibe noch durch die Türfenster zu sehen. So lässig, wie es seine bis zum Zerreißen gespannten Nerven zuließen, wandte er sich um und entfernte sich. Scharf machen würde er die Ladung erst in seiner Wohnung, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sein Opfer auf dem Weg war.
59
Im Umkleideraum des Neubaus der CTC trat Rapp aus der Dusche und griff nach seinem Handtuch. Er hatte Gelegenheit gehabt, in seinem Büro einige Stunden auf dem Sofa zu schlafen, und fragte sich jetzt, ob das klug gewesen war. Wegen seiner Verwundung hatte er auf der Seite liegen müssen, und weil der Kopf auf der Armlehne gelegen hatte, schmerzte ihn jetzt der Nacken, obwohl er eine Viertelstunde
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