Das Kommando
Augenblick würde er zögern, den Verräter zu erschießen, der ihm da am Tisch gegenübersaß. Es sah ganz so aus, als sei Coleman mit seinem Trupp in Schwierigkeiten geraten, denn er hatte sich noch nicht gemeldet. Also würde es möglicherweise darauf hinauslaufen, dass er allein mit der Situation fertig werden musste. Er hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt, von dem er überzeugt war, dass er funktionieren würde.
Allerdings bestand die Aussicht, dass Moro ausrastete, wenn er ihm klar sagte, was er wusste. Hinter Moro am Stützpfosten des Zelts hing dessen Pistole, eine Beretta 9 mm, die Standardwaffe der Sondereinsatztruppen der Philippinen. Falls der General auch nur die geringste Bewegung in ihre Richtung machte, würde er ihn erschießen. Er war sicher, dass er seinen Auftrag auch durch diese improvisierte Lösung ausführen könnte, ohne von den Männern des Generals in Stücke gerissen zu werden.
Rapps Worte schienen Moro ein wenig aus der Fassung gebracht zu haben, und er überlegte mit gefurchter Stirn, was der Grund für den Besuch dieses Mordgesellen sein mochte. Er verwarf den Gedanken, der sich ihm zuerst aufdrängte. Seine Männer waren ihm treu ergeben, und der Amerikaner hatte nicht die geringste Aussicht, aus dem Lager zu entkommen, falls er den Versuch machen sollte, ihn zu töten. Daher sagte er mit einem gewinnenden Lächeln: »Mr. Rapp, offensichtlich bin ich Ihnen gegenüber im Nachteil, denn ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden.«
Schweißperlen liefen Coleman über das mit Tarnfarbe bedeckte Gesicht, während er mit Wicker Schritt zu halten versuchte. Es war aussichtslos. Sein zehn Jahre jüngerer und ein gutes Dutzend Kilo leichterer Kamerad schien über unerschöpfliche Energiereserven zu verfügen, denn obwohl Coleman durchaus in bester körperlicher Verfassung war, eilte Wicker ihm voraus leichtfüßig den Hang empor. Er war ein ausgesprochen außergewöhnlicher Mensch. Unter anderem besaß er die Fähigkeit, sich nahezu geräuschlos so schnell durch den Dschungel zu bewegen, dass ihm niemand folgen konnte. Coleman war klug genug gewesen, all das in seine Überlegungen mit einzubeziehen, als sie sich an den Anstieg machten, und so hatte er Wicker gesagt, er solle nicht auf ihn warten.
An der schmalen Brücke hatte er die schwierige Entscheidung getroffen, seinen kleinen Trupp zu teilen. Stroble und Hackett sollten vorsichtig den Terroristen folgen, während er und Wicker ihren ursprünglichen Auftrag erledigen wollten. Das war eine von den Entscheidungen, die man später als genial und mutig oder als abgrundtief dumm einschätzen würde, je nachdem, wie das Unternehmen ausging. Wie bei einem Fußballtrainer, der sich entschließt, das erzielte Ergebnis durch hinhaltende Defensivtaktik zu sichern, statt es durch weitere Angriffe zu gefährden, hängt alles davon ab, ob sich die Entscheidung nachträglich als richtig oder falsch herausstellt.
Nie wäre Coleman auf den Gedanken gekommen, Rapp im Stich zu lassen, doch war die entführte amerikanische Familie aus dem Dunst des Morgengrauens geradezu wie ein Geschenk aufgetaucht, das er sich auf keinen Fall entgehen lassen konnte. Er blieb kurz stehen, um zu Atem zu kommen und einen Schluck aus der in den Rucksack integrierten Wasserflasche zu nehmen. Er steckte den dünnen Schlauch zwischen die Lippen und sog daran. Wicker war schon gut und gerne siebzig Meter voraus. Er sah, wie er über einen Felsgrat kletterte und aus seinem Blickfeld verschwand. Ein Schatten, der sich inmitten von Schatten bewegte.
Coleman machte sich wieder auf und erklomm den steilen Hang auf allen vieren. Für den Sichtschutz, den die Bäume boten, war er dankbar, doch zugleich misstraute er ihm. Sie folgten der Gesteinsrinne, die sich von der Kuppe bis zum Meer die ganze Flanke des Hügels hinabzog. Hier oben an der Steilstelle gab es mehr bloßliegende Felsen und weniger Gras und Moos. Die Sturzregen, die in dieser Gegend niedergingen, rissen alles mit sich, was nicht von den Wurzeln der Bäume und des Unterholzes festgehalten wurde.
Es war nahezu unmöglich, Wicker und ihn zu sehen, denn sie stiegen unmittelbar am Rand der Felsrinne auf, wo das Laubdach der Bäume mit den fleischigen Blättern gute Deckung bot. Besorgt fragte sich Coleman, was sie oben erwarten mochte. Der Hauptgrund für ihren Wunsch, die Kuppe vor Sonnenaufgang zu erreichen, war die Sorge gewesen, dort oben möglicherweise auf Scharfschützen zu treffen. Zu ihrem Bedauern mussten
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