Das Komplott der Senatoren (German Edition)
trotz des Höllenlärms gelang, den Blick zu fokussieren. Das erste, was sein verwirrtes Gehirn einordnen konnte, waren ein paar schwarze Flecke, die flink die weiß gekalkte Wand hinauf turnten. Zu groß für Moskitos. Kakerlaken. Zum letzten Mal hatte er die Viecher in einem schäbigen H o telzimmer in Manhattan gesehen, allerdings in der Größe XXL, wie fast alles in seiner Heimat. Diese Tierchen hier schienen hingegen fit zu sein, durchtrainiert vom täglichen Kampf um spärliche Nahrung. Er hielt sich die Ohren zu und schaute aus dem Fe n ster. Der betäubende Krach kam aus übersteuerten Lautsprechern auf dem Turm der Moschee jenseits der Gasse. Angewidert legte er sich wieder hin, vergrub den Kopf im Kissen und wartete sehnsüchtig auf das Ende des Sermons. Schon die Ankunft in aller Herrgottsfrühe auf dem Flughafen von Dakar hatte sich beinahe zur Katastrophe entwickelt. Seine Papiere schienen dem schwitzenden, streitlustigen Grenzbeamten nicht zu gefallen. Der Mann deckte ihn mit einem Stakkato fra n zösischer Fragen ein, die in seinen Ohren morgens um sechs nicht mehr zu unte r scheiden vom Geschnatter aufgeregter Flamingos waren. Nur dank des Erba r mens seiner besser gelaunten Kollegin, die zufällig ein passables Englisch sprach, schaffte er ›le tour‹ doch noch in erstaunlich kurzer Zeit.
Russ, der Allwissende, hatte ihn gewarnt: in Senegal ging ohne Französisch fast gar nichts. Immerhin kannte er zwei wichtige Wörter »Non, merci«, mit denen er die wie hartnäckige Mücken aus dem Dunkel auftauchenden hilfreichen Geister freundlich aber bestimmt abwies, die ihm schon vor Sonnenaufgang Telefonkarten und gefä l schte Uhren verkaufen oder in Gruppen den Weg zum nächsten Geldautomaten ze i gen wollten. Jedenfalls kam der Begriff ›ATM‹ mehrfach vor in der einseitigen Ko n versation. Als er die Tür des Taxis zuschlug, wähnte er sich endlich in Sicherheit. Er nannte dem Fahrer die Adresse in der Nähe des Ha f ens und atmete auf, sobald sich das Fahrzeug in Bewegung setzte. Nur noch in Ruhe auf dem schnellsten Weg ins Hotel wollte er, aber er hatte nicht mit der Freundlichkeit des Fahrers gerechnet. Se n ghor war ein Kampfplauderer. Es scherte ihn nicht, dass der Tubab auf dem Rücksitz kein Wort verstand, nur den Fahrpreis nannte er in einwandfreiem Englisch. Lee war zu müde, sich über die unverschämte Forderung aufzuregen oder sie mühsam herunterzuhandeln. Wahrscheinlich hatte Senghor jetzt genug Geld, seine Win d schutzscheibe repar i eren zu lassen.
Nein, er hatte keinen guten Start hier in Dakar, aber der beruhigende Gedanke, heute endlich die Wahrheit zu erfahren, ließ ihn wieder einschlafen. Der Muezzin weckte ihn pünktlich zum Mittagsgebet. Ihm blieben noch drei Stunden bis zum vereinbarten Treffen mit wq. Außer dem Namen, Woo Quan, wusste er immer noch so gut wie nichts über diesen Mann. Dass er die Mail nicht einfach ignoriert, sondern auf ein Treffen an seiner Wirkungsstätte gedrängt hatte, war für Lee Grund genug, sofort nach Dakar aufzubrechen. Quan wollte ihm offenbar zeigen, was hier vor sich ging und fürchtete sich vor unliebsamen Zeugen. Anders konnte er sich sein Verhalten nicht erklären.
Er zog sich aus und stieg in die Badewanne, die auch als Dusche diente. Ein scharfer Strahl zischte aus dem Hahn, der sofort wieder versiegte. Nur noch ein hohles Blu b bern war zu hören, ein letzter Atemzug, dann schwieg die Wasserleitung. Er hatte keine Zeit mehr, sich zu ärgern, denn sein Handy klingelte auf dem Nachttischchen. Beim Blick auf das Display ve r flüchtigte sich der Missmut augenblicklich. Ein warmer Schauer durchlief seinen Körper, wie jedes Mal, wenn er mit ihr sprach. Er drückte die Empfangstaste und schmollte:
»Marion, du solltest dich schämen.«
»Auch einen schönen guten Morgen wünsche ich dem Herrn. Wofür bitte soll ich mich schämen?«
»Mich splitternackt anzurufen!«
»Hättest du wohl gern«, lachte sie. »Ich bin nicht nackt.« Ihre spitzen Bemerkungen, ihr Wortwitz waren es, die ihn seit der ersten Begegnung so bezauberten. Er war richtig süchtig danach. Grinsend antwortete er:
»Du vielleicht nicht, aber ich.«
»Zieh dir wenigstens einen Slip an, wenn du mit einer Dame sprichst. Aber im Ernst, wie geht es dir? Gut angekommen?«
»Angekommen, sagen wir mal. Zurzeit versuche ich gerade zu duschen, aber das ist nicht so einfach, wie ich mir vorgestellt habe.« Sie hörte sich seine Klagen
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