Verbindung endlich. Er war in der grünen Zone des Netzes. Die streng abgeschottete rote Zone war über das ö f fentliche Telefonnetz nicht zu erreichen, aber so konnte er wenigstens seine Mail abrufen. Die unwichtigen Nachrichten, die er nur als Kopie erhielt, beförderte er ungelesen in den Papierkorb. Von den übrigen fünf Meldungen fiel ihm eine sofort auf. Sie kam von auße r halb:
›
[email protected]‹
Was ihn jedoch vollends verblüffte war der Betreff: ›Mamot EMAP und ENACT Pr o gramme‹. Niemand außerhalb eines sehr kleinen Kreises von Mamot-Mitarbeitern konnte etwas über ENACT wissen. Neugierig öffnete er die Nachricht.
dear wq,
ich weiß nicht, wer sie sind und was ihre aufgabe bei mamotwater ist, trotzdem wende ich mich an sie mit der bitte, licht in eine schlimme geschichte zu bringen, in die mein kürzlich verstorbener vater, senator o’sullivan, arizona, verwickelt war. Ich glaube, sie können helfen, die sache aufzuklären, da sie seinerzeit ihrem kollegen drake wichtige dokumente zum E N ACT programm gesandt haben (siehe beilage). ...
Er erinnerte sich sehr gut an die Belege, die er diesem Drake gemailt hatte, vor allem, weil seither Funkstille herrschte. Noch nicht einmal eine kurze Empfangsbestätigung hatte er e r halten. Als er weiterlas, erfuhr er den Grund. Sein Haar sträubte sich beim Gedanken, dass man Drake wegen Untersuchungen im Zusammenhang mit seiner Arbeit umgebracht hatte. Noch mehr erschütterte ihn Drakes Entdeckungen. Er musste die Nachricht mehrmals lesen, bis er die volle Tragweite der paar Zeilen e r kannte. Erst glaubte er, Drake und dieser O’Sullivan wären nichts anderes als Fanta s ten, naive Verschwörungstheoretiker, doch nach und nach begannen die haa r sträubenden Behauptungen durchaus Sinn zu machen. Für ihn war ENACT eine rein wissenschaftliche Langzeitstudie, die dem Zweck diente, menschliche Einflüsse auf das Klima zu erforschen. Ein Experiment, das sich naturgemäß über Jahre hi n zog, beschränkt im Umfang. Feldforschung im Auftrag von Mamot, mitfinanziert und ko n trolliert von höchsten Regierungskreisen der Vereinigten Staaten. Was O’Sullivan aber schrieb, deutete auf eine ganz andere Interpretation seiner Arbeit hin, und was er letzte Nacht in den Hügeln bei Changxing beobachtet hatte, war nichts anderes als eine Bestätigung der neuen Sicht. Er und seine Mitarbeiter hatten sich all die Jahre willig als Werkzeug benutzen lassen, um einen monströsen Plan umzusetzen und möglicherweise die größte Klimakatastr o phe seit Menschengedenken auszulösen.
Ihm wurde übel. Auf unsicheren Beinen wankte er ins Bad, spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Sein Puls raste. Wut, Schuldgefühle, Scham vernebelten seine Gedanken. Er stellte sich mit dem Gesicht zum winzigen Fenster in die Mitte des Zimmers. Erst atmete er ein paar Mal tief durch, um sich etwas zu beruhigen, dann winkelte er die Füße leicht an, sodass sich die Fersen fast berührten, ließ die Schu l tern hängen, so locker es sein Zustand erlaubte und atmete ein. Er hob den linken Fuß und machte einen Seitenschritt in Zeitlupe, während er tief ausatmete. Mit entspannt nach unten hängenden Fingern ließ er die Arme langsam in die Horizontale schweben und atmete dabei wieder ein. So eröffnete er die Form des Tai-Chi, die ihm bisher stets geholfen hatte, wenn Geist oder Körper besonders geknickt waren. Die ruhig fließenden Bewegungen taten auch diesmal ihre Wirkung. Trotzdem fehlte ihm die Geduld, die ganze Form durchzustehen. Nach fünf Minuten brach er ab und setzte sich wieder an den Computer. Seine Antwort an Lee O’Sullivan fiel nur kurz aus. Er wollte auf keine Details eingehen, forderte ihn lediglich auf, ihn zu treffen. Diese Sache war zu heikel, um am Telefon oder über Mail besprochen zu werden.
Nur Sekunden, nachdem Quan in Schanghai die ENTER Taste gedrückt hatte, um die An t wort an Lee abzuschicken, schrillte in der Überwachungszentrale der Mc Guane Security Services in Chicago der Alarm und Monitore begannen hektisch zu blinken. Es war ein Alarm der höchsten Gefahrenstufe, der unverzügliches Eingreifen erfo r derte.
Dakar, Senegal
Der Tag der Wahrheit brach mit der zerstörerischen Gewalt eines scheppernden Presslufthammers über Lee herein, eine Viertelstunde, nachdem er todmüde eingesc h lafen war. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schoss er hoch. Die Umgebung verschwamm vor seinen Augen, bis ihm