Das Komplott der Senatoren (German Edition)
schob oder platt drückte. Quietschend, mit einem schnellen Ruck drehte sich der Tank und rasselte direkt auf die Häusergruppe der Grenzpolizei zu, die wie ein kleines Fort am Do r frand stand. Noch bevor der Panzer zum Stillstand kam, richtete sich das Rohr seiner Kanone auf das Tor der Station. Es blitzte. Ein Donnerschlag ließ die Umgebung bis hinauf auf den Hügel erzittern und versetzte Babukar einen Stich ins Herz. Mit au f gerissenen Augen beobachtete er, wie das Hauptgebäude in sich zusammenfiel. Eine Wolke aus Staub und schwarzem Rauch stieg in den Himmel. Erst als die Flammen aus den Trümmern schlugen, kehrte die Kraft in seine Glieder zurück.
Die Angst um sich und seine Frau verlieh ihm Flügel. In großen Sprüngen rannte er hinunter zu seinem Haus. Er hörte nicht auf die Gewehrschüsse, die jetzt immer häufiger die dumpfen Explosionen der Kanonen und Granaten begleiteten. Von seiner Herde war nichts mehr zu sehen. Die Kühe hatten wohl Reißaus genommen, als die Hubschrauber über sie hinwegdo n nerten. Hab und Gut gab es nicht viel zu retten. Seine Leute mussten so schnell wie möglich fliehen, nur das war jetzt wichtig. Er konnte sich nicht vorstellen, worauf es die Feinde die s mal abgesehen hatten, aber im Dorf zu bleiben war auf jeden Fall viel zu gefährlich. Zum Glück stand sein Haus, das wohl jeder Fremde nur als armselige Hütte bezeichnet hätte, am Rand der Siedlung, weit weg von der Brücke. Es waren keine Soldaten oder Armeefahrzeuge zu sehen, als er die Tür aufstieß.
»Binata, wo bist du?«, rief er ängstlich, als er sie nirgends sah. Atemlos rannte er von einer Hütte zur nächsten. Überall offene Türen, nirgends eine Menschenseele.
»Sind alle weg«, krächzte ein dünnes Stimmchen hinter ihm, als er schon zum näc h sten Haus eilen wollte. Es war Senghor, der alte Fischer, den die Jungen nur den Zwerg nannten. Er hatte die kleine Gestalt, die zusammengesunken in einer dunklen Ecke kauerte, nicht b e merkt.
»Senghor, was machst du noch hier? Wir müssen fliehen, es ist Krieg. Die Soldaten werden bald hier sein.«
»Ich bleibe«, keifte das Männchen störrisch und rührte sich nicht.
»Das geht nicht. Sie werden dich töten.« Er wusste, dass der Alte kaum laufen ko n nte, also hob er ihn kurzerhand auf, schulterte ihn und eilte aufs Feld hinaus, den schützenden Bäumen entgegen. Er war sicher, dass die Leute aus seinem Quartier den gleichen Weg eingeschlagen hatten.
Die vorderste Baumgruppe war schon in Reichweite, als er ein paar weiße Gestalten zwischen den Stämmen bemerkte. Da waren sie. Zum ersten Mal seit er den schrec k lichen Todeszug entdeckt hatte schöpfte er wieder etwas Hoffnung. Er setzte seine Last ab, um kurz Atem zu holen. Der alte Senghor wollte nicht aufhören zu schimpfen, aber im Grunde war er ihm dankbar, das wusste Babukar.
Noch zwanzig, dreißig Schritte und sie waren fürs erste in Sicherheit, dachte er, aber Allah hatte ein anderes Schicksal für ihn bestimmt. Vom Dorf her hörte er M o torengeräusch, dann laute Rufe. Er drehte sich um und starrte in das grinsende G e sicht eines Kindes, gewiss nicht älter als sein Oumar am Tag seiner ersten Fahrt in die Stadt. Das Kind trug ein Sturmgewehr, dessen Lauf genau auf sein Herz zielte. Er kam nicht mehr dazu, den Jungen zu fragen, was er wolle. Die Salve zerfetzte seine Brust, zertrümmerte die Wirbelsäule mit der ersten Kugel. Er musste auch nicht mehr mit ansehen, wie das Kind seinem alten Freund Senghor den Lauf der tödlichen Waffe in den Mund steckte und abdrückte. Der unerbittliche Krieg ums Wasser e n dete für den armen Hirten Babukar und die meisten seiner Freunde, Bekannten und Ve r wandten noch am selben Morgen, als er begann.
Garfield Park, Chicago
Maurice Leblanc schritt ruhelos in seinem Büro auf und ab, zu erregt, sich in seinen Biede r meiersessel zu setzen und zu warten, bis es dem Herrn Krüger genehm war, endlich im Alle r heiligsten aufzutauchen. Sechs Uhr dreißig war ausgemacht. Der Termin war seit fünf Mi n uten verstrichen. »Wo bleibst du, merde?«, schnauzte er das Bild seines Vorgängers über dem Schreibtisch ungehalten an. Noch eine Minute, dann würde er ihn suchen lassen. In diesem Moment klopfte es und Paul Krüger b e trat das Büro mit einer Entschuldigung:
»Tut mir leid, hat länger gedauert, bis die Verbindung zustande kam, aber jetzt haben wir den aktuellen Status.« Leblanc unterdrückte eine giftige
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