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Das Komplott (German Edition)

Das Komplott (German Edition)

Titel: Das Komplott (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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nicke, als wäre es unwichtig. Dabei kann ich die Anspannung von Gwen auf dem Rücksitz geradezu körperlich spüren. »Was ist aus ihm geworden?«, bringe ich irgendwie heraus. Mein Mund war noch nie so ausgedörrt.
    »Ich glaube, Mal ist noch im Gefängnis. Vielleicht noch ein paar Jahre. Das weiß ich nicht mehr so genau. Es ist was an Ihrer Stimme, vielleicht die Bewegungen, irgendwas, ich weiß selbst nicht so recht, aber Sie erinnern mich an Mal.«
    »Die Welt ist groß, Nathan«, sage ich mit tieferer Stimme, als ginge mich das alles nichts an. »Und vergessen Sie nicht, dass wir für Weiße sowieso alle gleich aussehen.«
    Er lacht, und Gwen bringt ebenfalls ein gekünsteltes Lachen zustande.
    Während meiner Genesungszeit in Fort Carson wurde ich von einem Experten betreut, der mich stundenlang filmte und eine Liste der Gewohnheiten und Eigenheiten zusammenstellte, die ich ablegen musste. Ich übte stundenlang, doch als ich in Florida war, hörte ich damit auf. Natürliche Bewegungsmuster und Gewohnheiten sind schwer zu durchbrechen. Mein Verstand ist völlig blockiert, und mir fällt nichts ein, was ich sagen könnte.
    Gwen rettet mich. »Nathan, Sie haben vorhin Ihre Neffen erwähnt. Was glauben Sie, wie lange das so weitergeht? Es sieht doch so aus, als würde das Meth-Geschäft in vielen Familien von einer Generation zur anderen weitergegeben.«
    Nathan runzelt die Stirn und überlegt. »Ich würde sagen, es ist ziemlich hoffnungslos. Bis auf den Kohlebergbau gibt es keine Arbeit, und viele junge Männer wollen nicht in den Minen arbeiten. Außerdem knallen sie sich schon mit fünfzehn die Birne voll und sind mit sechzehn süchtig. Die Mädchen werden mit sechzehn schwanger, Kinder, die Kinder bekommen, Babys, die niemand will. Wenn man einmal da hineingeraten ist, gibt es kein Zurück mehr. Ich sehe hier keine große Zukunft, nicht für Leute wie mich.«
    Ich höre ihn reden, aber die Worte dringen nicht bis zu mir vor; mir dreht sich der Kopf, während ich überlege, wie viel Nathan weiß. Wie misstrauisch ist er? Was hat ihn auf meine Fährte gebracht? Meine Tarnung ist nicht aufgeflogen – da bin ich mir sicher –, aber was geht in seinem Kopf vor?
    Bluefield, West Virginia, ist eine Stadt mit elftausend Einwohnern an der äußersten Südspitze des Bundesstaats, unweit der Grenze zu Virginia. Wir fahren auf dem Highway um die Stadt herum und schlängeln uns bald über Serpentinen, auf denen es dramatisch auf und ab geht. Nathan kennt die Gegend gut, obwohl er seit Jahren nicht mehr hier war. Wir biegen auf eine Landstraße ein, die tief in ein Tal hineinführt. Es gibt keine asphaltierte Fahrbahn mehr, sondern geht im Zickzack über Schotter- und Lehmpisten, bis wir am Rande eines Bachs anhalten. Über uns recken sich Weiden-Eichen, die das Sonnenlicht verdecken. Das Unkraut steht kniehoch.
    »Wir sind da«, sagt er und stellt den Motor ab.
    Wir steigen aus, und ich sage Slade und Cody, sie sollen ihre Ausrüstung holen. Wir werden ohne künstliches Licht arbeiten, und ich will die kleineren Handkameras. Die beiden wühlen im Van und greifen sich ihre Ausrüstung.
    Nathan geht bis zum Ufer des Bachs und lächelt in Richtung des glucksenden Wassers.
    »Wie oft waren Sie hier?«, frage ich.
    »Nicht so oft. Wir hatten verschiedene Abladestellen in der Gegend von Bluefield, aber das hier war die wichtigste. Gene hatte zehn Jahre lang Ware hergebracht, da war ich aber nicht dabei. Ich war nicht so motiviert, wie er das wollte. Ich wusste, dass es nicht gut ausgehen würde. Ich versuchte, andere Jobs zu finden. Ich wollte raus aus der Sache. Gene wollte, dass ich mich mehr engagiere.«
    »Wo hatten Sie geparkt?«
    Er dreht sich um und deutet in die entsprechende Richtung. Ich beschließe, seinen Pick-up und Slades Van woanders abzustellen, damit sie das Bild nicht stören. Genialer Regisseur, der ich bin, will ich eine Action-Szene schießen, bei der Nathan zu Fuß am Ort des Geschehens erscheint, dicht gefolgt von der Kamera. Wir üben das ein paar Minuten lang, dann beginnen wir mit den Dreharbeiten. Nathan macht den Erzähler.
    »Lauter, Nathan. Sie müssen lauter reden«, brülle ich von der Seite.
    Nathan geht auf die bewusste Stelle zu und redet dabei. »Es war etwa zwei Uhr morgens, als wir beide, Gene und ich, hier ankamen. Wir hatten seinen Pick-up genommen, ich saß am Steuer. Als wir eintrafen, genau hier, konnten wir das andere Fahrzeug da drüben zwischen den Bäumen sehen, wie

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