Das Komplott (German Edition)
haben will. Ich erkläre ihm, dass mein Audi dringend zum Service muss und wir am besten mit seinem Pick-up fahren. Eine Stunde Fahrt in jede Richtung bedeutet, dass wir zwei Stunden ungestört allein mit ihm haben. Er zuckt die Achseln und ist einverstanden, ihm egal, und los geht’s, während Slade und Cody uns in ihrem Van folgen. Ich sitze vorn, Gwen hat sich auf den Rücksitz der Kabine gequetscht. Heute trägt sie Jeans, weil Nathan gestern den Blick nicht von ihren Beinen wenden konnte. Sie wird sich ein bisschen distanzierter geben, damit er seiner Sache nicht allzu sicher ist.
Während wir in Richtung Westen auf die Berge zufahren, bewundere ich das Interieur des Pick-ups und erkläre, bisher kaum Gelegenheit gehabt zu haben, solch ein Auto von innen zu sehen. Ledersitze, Hightech-Navigationssystem, alles ist vom Feinsten. Nathan ist sehr stolz auf sein Fahrzeug und kann gar nicht aufhören, darüber zu reden.
Um das Thema zu wechseln, komme ich auf seine Mutter zu sprechen und behaupte, wir wollten sie unbedingt treffen.
»Das können Sie gern versuchen, Reed«, sagt Nathan, »aber ihr gefällt die Sache nicht. Ich habe gestern Abend noch einmal mit ihr gesprochen und ihr erklärt, warum das Projekt so wichtig ist und sie unbedingt dabei sein sollte, aber das hat gar nichts gebracht.«
»Können wir nicht wenigstens mit ihr reden, einfach Hallo sagen?« Fast hätte ich mich umgedreht und Gwen zugelächelt, als ich höre, dass Nathan das Projekt für »wichtig« hält.
»Das bezweifle ich. Bei der beißen Sie auf Granit, Reed. Sie trinkt zu viel und hat ein reizbares Temperament. Im Augenblick ist sie nicht gut auf mich zu sprechen.«
Da ich mich als investigativer Journalist besonders für heikle Themen interessiere, hake ich weiter nach. »Liegt das daran, dass Sie aus dem Familienunternehmen ausgestiegen sind und Ihr Geld jetzt mit der Kneipe verdienen?«
»Das ist ja wohl Privatsache«, mahnt Gwen vom Rücksitz.
Nathan holt tief Luft und wirft einen Blick aus dem Seitenfenster. Er packt das Lenkrad mit beiden Händen. »Das ist eine lange Geschichte, aber Mom hat mir immer die Schuld an Genes Tod gegeben, was totaler Quatsch ist. Er war mein großer Bruder, der Anführer der Gang, der Chef im Meth-Labor, und außerdem war er süchtig. Ich nicht. Ich habe das Zeug ab und zu genommen, aber ich brauchte es nicht. Gene war völlig außer Kontrolle. Den Transport, bei dem wir erwischt wurden, hat Gene einmal in der Woche gemacht. Manchmal bin ich mitgekommen. In der Nacht, in der wir aufgeflogen sind, hätte ich gar nicht dabei sein sollen. Wir hatten einen Typen, ich will jetzt keine Namen nennen, aber dieser Kerl hat in der Gegend westlich von Bluefield Meth für uns vertickt. Wir hatten keine Ahnung, dass er aufgeflogen war, die Nerven verloren und der DEA Ort und Zeit verraten hatte. Wir sind in eine Falle getappt, und ich schwöre, ich hätte nichts für Gene tun können. Wie gesagt, wir hatten uns ergeben und sollten abgeführt werden. Dann hörte ich Schüsse, und Gene war tot. Das habe ich meiner Mutter hundertmal erklärt, aber sie will es nicht hören. Gene war ihr Liebling, und ich bin schuld an seinem Tod.«
»Das ist ja furchtbar«, murmele ich.
»Hat sie Sie im Gefängnis besucht?«, fragt Gwen verständnisvoll von hinten.
Eine weitere lange Pause folgt. »Zweimal.«
Mindestens fünf Kilometer lang sagt keiner mehr etwas. Wir fahren jetzt auf der Interstate nach Südwesten und hören Kenny Chesney.
Nathan räuspert sich. »Ehrlich gesagt, versuche ich, von meiner Familie wegzukommen. Von meiner Mutter, meinen Cousins, meinen nichtsnutzigen Neffen. Die wissen, dass ich ein nettes Lokal habe und ganz gut verdiene, da wird es nicht lange dauern, bis sie bei mir auf der Matte stehen und betteln. Ich bin noch zu nah dran.«
»Wo wollen Sie denn hin?«, frage ich mitfühlend.
»Nicht allzu weit. Ich liebe die Berge, gehe gern wandern und fischen. Ich bin und bleibe ein Hinterwäldler, Reed. Boone, North Carolina, würde mir gefallen. So was in der Art. Irgendein Ort, wo keine Cooleys im Telefonbuch stehen.« Er lacht darüber, ein trauriges kleines Glucksen.
Ein paar Minuten später jagt er uns einen gewaltigen Schrecken ein. »Wissen Sie, Sie erinnern mich an jemanden, den ich im Gefängnis kennengelernt habe. Malcolm Bannister hieß er, ein toller Typ, ein Schwarzer aus Winchester, Virginia. Ein Anwalt, der immer gesagt hat, das FBI habe ihn grundlos ins Gefängnis gebracht.«
Ich
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