Das Komplott (German Edition)
sie.
Nathan steht auf und schlendert gedankenverloren zum Bach. Ich weise Slade an, das zu filmen.
Wir bleiben drei Stunden vor Ort und nehmen immer wieder Szenen auf, die ich improvisiere, bis wir gegen ein Uhr müde und hungrig sind. Wir suchen uns in Bluefield ein Fast-Food-Restaurant und stopfen uns mit Burgern und Pommes voll. Auf der Rückfahrt nach Radford herrscht Schweigen, bis ich Gwen sage, sie solle Tad Carsloff, einen meiner Partner in Miami, anrufen. Als Nathan vor zwei Tagen bei unserer Firmenzentrale Erkundigungen einholte, nannte ihm der Auftragsdienst von CRS Carsloffs Namen.
Gwen tut so, als hätte sie wirklich jemanden am anderen Ende. »Hallo, Mr. Carsloff, hier ist Gwen. Alles bestens. Und bei Ihnen? Wir fahren gerade mit Mr. Cooley zurück nach Radford. Wir waren den ganzen Vormittag an dem Ort, wo sein Bruder ermordet wurde, das war einfach überwältigend. Mr. Cooley hat das ganz hervorragend geschildert. Er braucht kein Skript, er ist ein echtes Naturtalent.«
Ich werfe einen Seitenblick auf Nathan, der am Steuer sitzt. Er kann ein selbstzufriedenes Lächeln nicht unterdrücken.
Gwen setzt ihren einseitigen Dialog fort. »Seine Mutter?« Pause. »Da gibt es noch nichts Neues. Mr. Cooley sagt, sie will mit dem Film nichts zu tun haben und hält nichts von der Sache. Mr. Baldwin will es morgen noch einmal versuchen.« Pause. »Er will sich die Heimatstadt der Brüder ansehen, das Grab filmen, mit alten Freunden reden, mit Arbeitskollegen, so in der Art.« Eine Pause, während sie aufmerksam ins Leere horcht. »Ja, es könnte gar nicht besser laufen. Mr. Baldwin ist mit den ersten beiden Tagen hochzufrieden, und die Arbeit mit Mr. Cooley läuft einfach fantastisch. Wirklich überwältigend. Mr. Baldwin sagt, er ruft Sie später am Nachmittag an. Bis dann.«
Wir fahren zwei oder drei Kilometer schweigend dahin, während Nathan das Lob verdaut. »Morgen geht es also nach Willow Gap?«, fragt er schließlich.
»Ja, aber wenn Sie nicht wollen, müssen Sie nicht mitkommen«, sage ich. »Nach zwei Tagen haben Sie wahrscheinlich genug von der Sache.«
»Sind Sie mit mir schon fertig?«, fragt er traurig.
»Natürlich nicht. Übermorgen fliege ich nach Miami zurück und sehe mir das Filmmaterial an. Dann beginnen wir mit dem Schneiden und versuchen, das Wesentliche herauszuarbeiten. In ein paar Wochen, wann immer es Ihnen passt, kommen wir wieder und machen weiter.«
»Hast du Nathan schon von Carsloffs Idee erzählt?«, fragt Gwen vom Rücksitz.
»Nein, noch nicht.«
»Ich finde sie genial.«
»Worum geht es?«, will Nathan wissen.
»Carsloff ist der Star-Cutter der Firma, und wir arbeiten eng zusammen. Da es bei dem Film um drei oder vier verschiedene Familien und mehrere Morde geht, hat er vorgeschlagen, alle zur selben Zeit am selben Ort zu versammeln und die Kameras einfach laufen zu lassen. Alle in einem Zimmer, in ganz entspannter Atmosphäre, damit das Gespräch seinen natürlichen Lauf nimmt. Kein Drehbuch, keine Regie, nur die Fakten in ihrer ganzen Brutalität. Wie gesagt, wir arbeiten an einem halben Dutzend Fällen, die sich alle erstaunlich ähneln. Wir suchen uns die drei oder vier besten heraus …«
»Ihrer ist eindeutig der interessanteste«, wirft Gwen ein.
»… und dann lassen wir Sie, die Opfer, über Ihre Erfahrungen sprechen. Carsloff meint, das wird großartig.«
»Er hat recht«, zwitschert Gwen. »Ich kann es gar nicht erwarten, das zu sehen.«
»Ja, könnte spannend werden«, gebe ich zu.
»Wo sollen wir uns treffen?«, fragt Nathan, den wir offenbar so gut wie in der Tasche haben.
»Das ist noch nicht klar, wahrscheinlich in Miami.«
»Waren Sie schon mal in South Beach, Nathan?«, fragt Gwen.
»Nein.«
»O Mann. Als Single, in Ihrem Alter, da werden Sie gar nicht mehr wegwollen. Das ist eine endlose Party, und die Mädchen sind … Wie würdest du sie beschreiben, Reed?«
»Sie sind mir nicht aufgefallen«, behaupte ich drehbuchgemäß.
»Aha. Sagen wir, die Frauen sind schön und leidenschaftlich.«
»Es soll keine Party werden«, ermahne ich meine Assistentin. »Wir könnten auch in Washington filmen, das wäre für die Familien wahrscheinlich praktischer.«
Nathan schweigt, aber ich weiß, dass er für South Beach ist.
Vanessa und ich verbringen den Nachmittag in einem Hotelzimmer in Pulaski, Virginia, eine halbe Stunde südwestlich von Radford. Wir gehen meine Notizen aus Fort Carson durch und versuchen angespannt herauszufinden, wie Nathan
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