Das Komplott (German Edition)
und ein ordentliches Schmiergeld einstecken. Dann werden sie uns ein Angebot machen und sehen, wie viel wir zusammenkratzen können. Jetzt, wo sie wissen, dass wir einen Anwalt haben, nehmen sie bestimmt bald Kontakt mit ihm auf. Schmiergelder machen nur Sinn, bevor sich das Gericht einschaltet. Wenn erst einmal Anklage erhoben ist, beobachten die Richter alles mit Argusaugen. Das verstehen Sie doch, Nathan?«
»Glaub schon. Ich kann es einfach nicht glauben, Reed. Gestern um diese Zeit habe ich in meiner Kneipe gesessen, mit einem hübschen Mädchen geflirtet und damit geprahlt, dass ich über das Wochenende nach Miami fliege. Und jetzt stecke ich in einer dreckigen Gefängniszelle mit einem Haufen Jamaikanern, die es auf mich abgesehen haben. Sie haben recht, Reed, das ist alles Ihre Schuld. Sie mit Ihrem bescheuerten Film. Ich hätte nie auf Sie hören sollen.«
»Tut mir leid, Nathan. Glauben Sie mir, es tut mir wirklich leid.«
»Das will ich hoffen. Tun Sie was, Reed, und zwar schnell. Ich halte nicht mehr lange durch.«
36
Rashford bringt mich zu meinem Hotel und lädt mich in letzter Minute freundlicherweise zum Abendessen ein. Er sagt, seine Frau sei eine ausgezeichnete Köchin und würde sich freuen, einen solch genialen Filmemacher zu Gast zu haben. Ich bin versucht anzunehmen, in erster Linie weil ich für die nächsten achtzehn Stunden nichts vorhabe, lehne dann aber doch ab, weil ich mich angeblich nicht gut fühle und schlafen muss – eine lahme Entschuldigung. Mein ganzes Leben ist eine Lüge, und das Letzte, was ich brauchen kann, ist eine lange Unterhaltung beim Essen über meine Arbeit und meine Vergangenheit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Leute, die mir ernsthaft gefährlich werden könnten, nach mir Ausschau halten und versuchen, meine Fährte aufzunehmen. Ein unvorsichtiges Wort könnte sich später als fatal erweisen.
Es ist Juli, die Touristensaison vorbei und das Hotel nicht ausgebucht. Im Schatten gibt es einen kleinen Pool mit Bar, und ich verbringe den Nachmittag unter einem Schirm, lese Walter Mosley und trinke Red-Stripe-Bier.
Um sieben Uhr am Samstagabend landet Vanessa in Roanoke. Sie ist erschöpft, hat aber keine Zeit, sich auszuruhen. In den vergangenen achtundvierzig Stunden ist sie von Radford zuerst nach Washington und dann nach Roanoke gefahren, von Roanoke nach Jamaika geflogen und über Charlotte, Atlanta und Miami wieder zurück. Abgesehen von unruhigen drei Stunden im Hotelzimmer in Montego Bay und verschiedenen Nickerchen im Flugzeug hat sie nicht geschlafen.
Sie verlässt mit ihrer kleinen Handgepäcktasche den Terminal und sucht in aller Ruhe nach ihrem Auto. Wie immer achtet sie genau auf ihre Umgebung. Wir gehen davon aus, dass ihr niemand folgt, aber in dieser Phase unseres Projekts können wir kein Risiko eingehen. Vom Flughafen aus nimmt sie den Highway und fährt zu einem Holiday Inn. Sie lässt sich das Essen aufs Zimmer bringen und sitzt damit vor dem Fenster, als die Sonne untergeht. Um zehn Uhr ruft sie mich an, das Gespräch ist kurz, und wir verwenden einen Geheimcode. Wir benutzen unser drittes oder viertes Prepaid-Handy, und es ist höchst unwahrscheinlich, dass wir abgehört werden, aber wir wollen nichts riskieren. Ich beende das Gespräch mit den Worten »Geh weiter nach Plan vor«.
Sie fährt zum Flughafen zurück, zum Terminal für die allgemeine Luftfahrt, und parkt neben Nathans Pick-up. Es ist Samstagabend und schon spät, da starten keine Privatflugzeuge, und auf dem leeren Parkplatz rührt sich nichts. Sie zieht dünne Lederhandschuhe an, schließt mit Nathans Schlüssel den Wagen auf und fährt weg. Vanessa ist noch nie einen Pick-up gefahren und lässt sich Zeit. Ganz in der Nähe nutzt sie den Parkplatz eines Fast-Food-Restaurants, um Sitz und Spiegel einzustellen. In den letzten fünf Jahren war sie mit einem kleinen Japaner unterwegs, und sie fühlt sich in dem größeren Fahrzeug erstaunlich unwohl. Auf gar keinen Fall können wir riskieren, dass sie einen Blechschaden verursacht oder der Polizei auffällt. Schließlich schafft sie es bis zur Interstate 81 und fährt nach Süden in Richtung Radford, Virginia.
Es ist schon fast Mitternacht, als sie den Highway verlässt und auf die schmale Landstraße zu Nathans Haus einbiegt. Sie passiert den überbreiten Trailer, in dem Nathans Nachbar lebt, mit fünfundzwanzig Kilometern pro Stunde und praktisch lautlos. Da sie die Strecke mit ihrem eigenen Wagen schon ein d utzendmal
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