Das Komplott (German Edition)
zurückgelegt hat, kennt sie das Gelände. Die Straße schlängelt sich an Nathans Haus vorbei durch Weiden und Wiesen, bis drei Kilometer weiter das nächste Haus folgt. Dahinter geht die asphaltierte Fahrbahn in eine Schotterstraße und schließlich in einen unbefestigten Feldweg über. Verkehr gibt es keinen, weil die Gegend so dünn besiedelt ist. Merkwürdig, dass sich ein dreißigjähriger Single einen solch abgelegenen Platz zum Leben aussucht.
Sie parkt in der Einfahrt und lauscht. Nathans gelber Labrador bellt hinten im Garten, wo ein großes Gelände für ihn eingezäunt ist – mit einer hübschen Hundehütte, damit er auch nicht nass wird. Abgesehen von dem Hund ist nichts zu hören. Ein kleines gelbes Licht auf der Veranda erhellt die Dunkelheit ein wenig. Vanessa hat eine 9-Millimeter-Glock in der Tasche und hofft, dass sie damit umgehen kann. Sie geht um das Haus herum, achtet genau darauf, wo sie hintritt, und lauscht auf alles. Der Hund bellt lauter, doch außer Vanessa kann ihn niemand hören. An der Hintertür probiert sie die Schlüssel aus. Die ersten drei passen weder für den abgesperrten Türknopf noch für den Sicherheitsriegel, aber Nummer vier und fünf sind Volltreffer. Mit angehaltenem Atem stößt sie die Tür auf. Kein Sirenengeheul, kein hektisches Piepsen. Die Sicherheitsriegel und die fehlende Alarmanlage hat sie bereits registriert, als sie fünf Tage zuvor bei der ersten Runde der Dreharbeiten durch ebendiese Tür gegangen ist.
Im Haus zieht Vanessa die Lederhandschuhe aus und schlüpft in Latex-Einweghandschuhe. Sie muss jeden Quadratzentimeter im Haus absuchen und kann es sich nicht leisten, Fingerabdrücke zu hinterlassen. Mit raschen Schritten geht sie von einem Zimmer zum anderen, schaltet das Licht ein, lässt alle Jalousien herunter und stellt die Klimaanlage hoch. Es ist ein billiges Mietshaus und wird von einem unverheirateten Hinterwäldler bewohnt, der die letzten fünf Jahre im Gefängnis gesessen hat, die Inneneinrichtung ist daher eher spartanisch. Es gibt ein paar Möbel, den obligatorischen überdimensionalen Fernseher, und einige Fenster sind mit Folie beklebt. In der Küche stapelt sich schmutziges Geschirr in der Spüle, im Bad liegt die Schmutzwäsche auf dem Fußboden. Das Gästezimmer dient als Rumpelkammer. Zwei tote Mäuse hängen mit gebrochenem Genick still in ihren Fallen.
Sie fängt mit einer hohen Kommode in Nathans Schlafzimmer an. Nichts. Sie sucht unter seinem Bett und zwischen Matratze und Federrahmen. Jeden Quadratzentimeter seines vollgestopften Wandschranks inspiziert sie. Das Haus ist in traditioneller amerikanischer Bauweise auf einem Holzfundament ohne Betonplatte errichtet, und die Hartholzbohlen geben bei jedem Schritt leicht nach. Sie klopft den Boden nach auffällig hohl klingenden Stellen ab, unter denen sich ein Versteck verbergen könnte.
Ich vermute, Nathan hat seine Beute irgendwo im Haus versteckt, wenn auch vermutlich nicht in einem der Wohnräume. Trotzdem müssen wir überall suchen. Wenn er schlau ist, was ich nicht so recht glauben kann, hat er sie verteilt und benutzt mehrere Verstecke.
Nach dem Schlafzimmer nimmt sich Vanessa das Gästezimmer vor, wobei sie einen großen Bogen um die Mäuse schlägt. Um halb eins fängt sie an, die Lichter auszuschalten, als würde Nathan allmählich Schluss machen. Sie geht von einem Zimmer zum anderen, untersucht jede Ecke, jede Diele, jede Tasche. Alles wird umgedreht und betastet. Die Beute könnte sich in den Wänden, unter dem Boden oder hinter den Rigipsplatten der Decke verbergen – wenn sie nicht im Garten vergraben ist oder im Bombay in einem Safe liegt.
Der enge Keller ist gut zwei Meter hoch und hat keine Klimaanlage, die Wände bestehen aus unverputzten Aschebetonblöcken. Nach einer Stunde ist Vanessa völlig durchgeschwitzt und kann nicht mehr. Um zwei Uhr morgens streckt sie sich auf dem Sofa im Wohnzimmer aus und schläft mit der Hand auf dem Holster ihrer Glock ein.
Nachdem Rashford schon am Samstag nicht arbeiten wollte, ist er am Sonntag geradezu rebellisch geworden, aber ich habe ihm keine Ruhe gelassen. Ich habe ihn angefleht, mit mir zum Gefängnis zu fahren und noch einmal seine Beziehungen spielen zu lassen. Um die Dinge zu beschleunigen, habe ich ihm hundert Dollar gegeben.
Kurz vor neun Uhr kommen wir am Gefängnis an, und eine Viertelstunde später sitze ich mit Nathan im selben Zimmer wie am Vortag. Er sieht furchtbar aus. Die massiven Verletzungen sind
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