Das Komplott (German Edition)
verwerfen. Zwei sind für einen Bart, zwei dagegen, und wir beschließen abzuwarten. Ich verspreche, mich eine Woche lang nicht zu rasieren, damit wir uns einen besseren Eindruck verschaffen können.
Wegen der schwerwiegenden Folgen der Aktion hat es mein kleines Team nicht eilig. Wir arbeiten den ganzen Vormittag am neuen Max, und als alle zufrieden sind, wird ein hochaufgelöstes Bild meines neuen Ich ausgedruckt. Ich nehme es mit in mein Zimmer und befestige es mit Reißzwecken an der Wand. Eine Krankenschwester sieht es sich eingehend an und findet es gut. Sie gefällt mir auch, aber sie ist verheiratet und hat keine Lust auf einen Flirt. Wenn sie nur wüsste.
Am Nachmittag lese ich und durchstreife die frei zugänglichen Bereiche des Stützpunkts. Ich schlage die Zeit tot, wie in Frostburg, das jetzt ganz weit weg ist – auch in meiner Erinnerung. Immer wieder gehe ich in mein Zimmer und sehe mir das Gesicht an der Wand an: glatt rasierter Schädel, leicht spitz zulaufende Nase, kaum merklich verstärktes Kinn, schmalere Wangen, keine Falten und die Augen eines ganz neuen Menschen. Die Aufgedunsenheit des mittleren Alters ist verschwunden. Die Augenlider sind nicht ganz so schwer. Vor allem aber blickt Max durch eine runde Designerbrille und sieht sehr hip aus.
Ich gehe davon aus, dass es wirklich funktioniert und die Ärzte ein Gesicht zustande bringen, das so aussieht wie der Max an der Wand. Ich bin schon zufrieden, wenn es nur annähernd so wird. Niemand wird die Neuschöpfung erkennen, und darauf kommt es an. Ich bin zu stark involviert, um zu entscheiden, ob ich nachher besser aussehen werde als vorher, aber bestimmt gut genug. Sicherheit ist mir wirklich viel wichtiger als Eitelkeit.
Um sieben Uhr am nächsten Morgen werde ich in einen kleinen Operationssaal gerollt. Der Anästhesist tut seine Arbeit, und ich entschlummere selig.
Die Operation dauert fünf Stunden und ist ein großer Erfolg, behaupten zumindest die Ärzte. Keine Ahnung, wie sie das wissen wollen, weil mein Gesicht eingewickelt ist wie bei einer Mumie. Es wird Wochen dauern, bis die Schwellung vollständig zurückgegangen ist und die neuen Gesichtszüge erkennbar werden.
Vier Tage nach Erhebung der Anklage erschien Quinn Rucker zum ersten Mal vor Gericht. Bei der Vorführung trug er den orangefarbenen Overall, in den man ihn bei seiner Einlieferung in das städtische Gefängnis von Roanoke gesteckt hatte. Man hatte ihm Handschellen angelegt, die mit Ketten an einem Gürtel um seine Taille befestigt waren, die Fußfesseln waren ebenfalls durch Ketten gesichert. Eine kugelsichere Weste war mit Riemen über den Schultern und um die Taille befestigt, und ein ganzes Dutzend schwer bewaffnete Wachmänner, Kriminalbeamte und Polizisten eskortierte ihn aus dem Gefängnis zu einem kugelsicheren Chevrolet Suburban. Es waren keine Drohungen gegen ihn ausgesprochen worden, und die Route zum Gericht war geheim, aber die Behörden wollten kein Risiko eingehen.
Der Verhandlungssaal hatte sich schon lange vor Ruckers für zehn Uhr angesetztem Erscheinen mit Reportern und Zuschauern gefüllt. Seine Verhaftung und die Erhebung der Anklage hatten großes Aufsehen erregt, umso mehr, da ihm weder eine Mordserie noch eine Prominentenscheidung das Scheinwerferlicht streitig machte. Vor dem Gerichtssaal wurden Fesseln und Schutzweste abgenommen, sodass Rucker den Raum ohne Handschellen betrat. Da er als Einziger einen orangefarbenen Overall trug und praktisch der einzige Schwarze im Saal war, wirkte er definitiv schuldig. Er setzte sich mit Dusty Shiver und einem Anwalt aus Shivers Kanzlei an einen Tisch. Auf der anderen Seite des Gangs hantierten Stanley Mumphrey und seine Assistenten-Brigade mit wichtiger Miene mit Papieren, als bereiteten sie sich auf ein Plädoyer vor dem Obersten Gerichtshof vor.
Aus Respekt vor ihrem verstorbenen Kollegen hatten sich die übrigen elf Richter im südlichen Bezirk für befangen erklärt. Rucker würde zunächst dem untergeordneten Bundesrichter Ken Konover vorgeführt werden, der die Sitzung leiten sollte. Konover nahm seinen Platz ein und rief den Saal zur Ordnung. Dann rasselte er ein paar Formalitäten herunter und fragte den Angeklagten, ob er die Anklageschrift gelesen habe.
»Ja, das hat er«, erwiderte Shiver. »Wir verzichten auf die offizielle Verlesung.«
»Danke«, erwiderte Konover.
In der ersten Reihe hinter dem Tisch der Verteidigung saß Dee Ray, modisch gekleidet wie immer und offensichtlich
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