Das Komplott (German Edition)
immer näher. Um 15.30 Uhr trifft endlich Mr. Victor Westlake ein.
»Max, es tut mir leid«, sagt er.
Ich bleibe sitzen, reiche ihm auch nicht die Hand. Das Sofa gehört mir allein. Er hat drei Gestalten in dunklen Anzügen dabei, die sich auf Küchenstühlen und Hockern niederlassen. Als sich alle vorgestellt haben und sitzen, fängt Westlake an.
»Es handelt sich um einen höchst ungewöhnlichen Fall, und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Im Augenblick haben wir keine Ahnung, wo das Leck ist. Möglicherweise finden wir es nie heraus.«
»Sagen Sie mir, was Sie wissen.«
Westlake öffnet eine Akte und holt mehrere Papiere heraus. »Das ist die Niederschrift eines von uns abgehörten Telefongesprächs, das Dee Ray Rucker gestern Abend mit jemandem namens Sully geführt hat. Beide über Handy. Rucker war in Washington. Dieser Sully hielt sich irgendwo hier in der Gegend auf.«
Ich lese das Transkript, während die anderen den Atem anhalten. Es dauert ein paar Sekunden, dann lege ich es auf den Couchtisch.
»Wie haben die das herausgefunden?«, frage ich.
»Das prüfen wir noch. Eine Theorie ist, dass sie ein Privatunternehmen damit beauftragt haben, Sie aufzuspüren. Wir haben mehrere Firmen im Blickfeld, die sich auf Werksspionage, Beschattung, Vermisstenfälle, private Ermittlungen und Ähnliches spezialisiert haben. Das sind Leute, die früher beim Militär oder beim Geheimdienst waren oder, das muss ich zu meiner Schande gestehen, beim FBI . Die verstehen ihr Geschäft und verfügen über entsprechende Technologie. Wenn das Geld stimmt, kommen die an wertvolle Informationen.«
»Und woher haben sie die? Von Insidern?«
»Das wissen wir noch nicht.«
»Und wenn Sie es wüssten, würden Sie es mir nicht sagen. Sie würden nie zugeben, dass ein Maulwurf in einer staatlichen Behörde sitzt. FBI , Marshals Service, Bundesanwaltschaft, Justizministerium, Justizvollzugsbehörde – und wer weiß, wer noch eingeweiht ist. Wie viele Personen kennen unser kleines Geheimnis, Vic? Einige Dutzend, vielleicht mehr. Haben die Ruckers von sich aus meine Fährte aufgenommen, oder haben sie sich an das FBI gehängt, das mich beschattet?«
»Ich versichere Ihnen, dass es kein internes Leck gegeben hat.«
»Sie haben doch gerade gesagt, Sie wissen es nicht. Ihre Zusicherungen sind im Augenblick vollkommen wertlos. Sicher ist nur, dass alle Beteiligten versuchen werden, ihre Haut zu retten und den anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Ich glaube Ihnen gar nichts. Weder Ihnen noch sonst irgendwem.«
»Sie müssen uns vertrauen, Max. Das ist eine gefährliche, möglicherweise lebensbedrohliche Situation.«
»Ich habe Ihnen bis heute Morgen vertraut, und Sie sehen ja, was mir das eingebracht hat. Vertrauen ist nicht. Null.«
»Wir müssen Sie bis zur Verhandlung schützen. Das müssen Sie doch verstehen. Nach der Verhandlung interessieren Sie uns nicht mehr. Aber bis dahin müssen wir dafür sorgen, dass Sie in Sicherheit sind. Deswegen haben wir auch die Telefone angezapft. Wir haben die Ruckers eben im Auge behalten – zum Glück. Wir sind auf Ihrer Seite. Zugegeben, irgendwo ist was schiefgelaufen, und das werden wir aufklären. Aber wenn Sie hier munter und gesund sitzen, dann weil wir unsere Arbeit machen.«
»Herzlichen Glückwunsch«, sage ich und verziehe mich auf die Toilette.
Richtig zur Sache geht es, als ich ankündige, das Zeugenschutzprogramm zu verlassen. Dan Raynor redet mir ins Gewissen: Ich würde mich in große Gefahr bringen, wenn ich ihnen die Möglichkeit nähme, mich im Bedarfsfall zu retten und unter einem neuen Namen tausend Kilometer weiter abzusetzen. Na und? In Zukunft passe ich lieber selbst auf mich auf. Westlake fleht mich an, bei ihnen zu bleiben. Meine Aussage wird bei der Verhandlung entscheidend sein, ohne sie wird es vielleicht keine Verurteilung geben. Ich erinnere ihn wiederholt daran, dass sie ein Geständnis haben, das kein Bundesrichter ausschließen wird. Ich verspreche, zur Verhandlung zu erscheinen. Ich argumentiere damit, dass mein Leben sicherer sein wird, wenn nur ich weiß, wo ich mich versteckt halte. Es sind einfach zu viele Beamte mit meinem Schutz befasst. Raynor erinnert mich mehrmals daran, dass der Marshals Service noch nie einen Informanten verloren hat, der unter seinem Schutz stand, von bisher über achttausend, und ich erinnere ihn wiederholt daran, dass es immer ein erstes Mal gibt. Und das werde nicht ich sein.
Die Diskussion wird gelegentlich
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