Das Komplott (German Edition)
Chevrolet Silverado, auf, der bestimmt Nathan Cooley gehört. Ich habe mich nicht getäuscht. Er stellt den Wagen am anderen Ende des Parkplatzes ab. Auf dem Weg zum Lokal sieht er sich mehrfach nervös um.
Ich habe ihn seit vier Jahren nicht gesehen, und er scheint sich nicht sehr verändert zu haben. Dasselbe Gewicht, dasselbe zottelige blonde Haar, wobei er sich im Gefängnis einmal den Schädel rasiert hat. Das Kennzeichen meines in Florida zugelassenen Autos sieht er sich zweimal an, dann geht er ins Lokal. Ich hole tief Luft, setze den Panamahut auf und gehe zur Tür. Nur keine Panik, du Idiot, ermahne ich mich selbst, als ich merke, wie sich mir der Magen umdreht. Jetzt brauche ich eine ruhige Hand und stählerne Nerven.
Wir treffen uns drinnen am Eingang und wechseln ein paar höfliche Worte. Ich nehme den Hut ab, als uns die Kellnerin zu einer Nische hinten im Lokal führt. Über den Tisch hinweg mustern wir uns, reden über das Wetter. Einen Augenblick lang wird mir das Theater fast zu viel. Nathan spricht mit einem Fremden, während ich mich mit einem Mann unterhalte, den ich einmal recht gut kannte. Er zeigt keinerlei Anzeichen von Misstrauen, weder mustert er meine Augen oder Nase besonders eingehend, noch kneift er die Augen zusammen, hebt die Brauen oder wird nachdenklich, wenn er meine Stimme hört. Und glücklicherweise findet er auch nicht, ich würde ihn an jemanden erinnern. Bisher gar nichts in der Art.
Ich bestelle ein Bier, ein großes vom Fass, und Nathan zögert kurz, bevor er das Gleiche nimmt. Der Erfolg dieser gewagten Mission könnte sehr wohl am Alkohol hängen. Nathan ist mit starken Trinkern und Meth-Süchtigen aufgewachsen. Dann war er fünf Jahre lang im Gefängnis, clean und trocken. Ich nehme an, jetzt, wo er in Freiheit ist, ist er wieder in den alten Trott verfallen. Die Tatsache, dass er seine eigene Kneipe besitzt, ist ein deutlicher Hinweis.
Für einen Hinterwäldler, dem nie jemand beigebracht hat, wie man sich anzieht, sieht er ganz ordentlich aus. Verwaschene Jeans, ein Golfhemd mit Bierwerbung, das irgendein Vertreter in der Kneipe hinterlassen hat, und Springerstiefel. Er trägt weder Schmuck noch Uhr, hat aber ein furchtbar hässliches Gefängnis-Tattoo am linken Unterarm. Kurz gesagt, er sieht nicht so aus, als würde er in Geld schwimmen.
Das Bier kommt, und wir stoßen an.
»Erzählen Sie mir von dem Film«, sagt er.
Aus Gewohnheit nicke ich, lege eine Pause ein und achte darauf, langsam, deutlich und so tief wie möglich zu sprechen. »Ich drehe seit mittlerweile zehn Jahren Dokumentarfilme, und das ist das spannendste Projekt, das mir je untergekommen ist.«
»Hören Sie, Mr. Baldwin, was ist eigentlich ein Dokumentarfilm? Ich sehe ja auch Filme, aber viele Dokus waren nicht dabei.«
»Das erkläre ich Ihnen gern. Normalerweise sind das kleine, unabhängig produzierte Filme, die nicht in den großen Kinos laufen. Dabei geht es nicht um Kommerz. Es geht um echte Menschen, echte Probleme, echte Themen, keine großen Filmstars oder so. Die besten werden vielleicht bei Filmfestivals ausgezeichnet und machen so auf sich aufmerksam, aber das große Geld ist damit nicht zu verdienen. Meine Firma hat sich auf Filme über Machtmissbrauch spezialisiert, vor allem durch den Staat, aber auch durch die großen Konzerne.« Ich trinke einen Schluck und ermahne mich, das Tempo zu drosseln. »Die meisten Filme sind etwa eine Stunde lang. Dieser wird vielleicht neunzig Minuten dauern, aber das entscheiden wir später.«
Die Kellnerin ist zurück. Ich bestelle ein Sandwich mit Huhn, Nathan nimmt eine Portion Chicken Wings.
»Wie sind Sie an Ihre Kneipe gekommen?«, frage ich.
Er trinkt einen Schluck und grinst. »Über einen Freund. Dem Inhaber der Kneipe stand das Wasser bis zum Hals, das hatte aber nichts mit dem Lokal zu tun, sondern mit anderen Immobilien. Ich glaube, die Wirtschaftskrise hat ihm den Rest gegeben. Deswegen wollte er das Bombay loswerden. Er war auf der Suche nach einem Dummen, der das Ding mitsamt Schulden übernimmt, und ich hatte nichts zu verlieren. Ich bin erst dreißig, habe keinen Beruf, nichts in Aussicht, da kann man schon mal was riskieren. Bisher verdiene ich aber Geld. Macht sogar Spaß. Jede Menge Studentinnen hängen bei mir ab.«
»Verheiratet sind Sie nicht?«
»Nein. Ich weiß nicht, wie viel Sie über mich wissen, Mr. Baldwin, aber ich habe gerade eine fünfjährige Gefängnisstrafe abgesessen. Der Staat hat dafür gesorgt, dass es
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