Das Komplott (German Edition)
Videograf bezeichnet, aber er ist zu teuer. Wenn ich Glück habe und ein Interview bekomme, brauche ich zwei Leute – einen Kameramann und eine Hilfskraft. Der Mann sagt, er arbeite nur mit einer kompletten Crew oder gar nicht.
Mittags treffe ich mich mit Vanessa in einem Imbiss in der Nähe ihres Büros auf ein Sandwich. Zum Abendessen gehen wir in ein Bistro im Richmonder Viertel Carytown. Was danach geschieht, ist erstaunlicher- und wunderbarerweise ganz ähnlich wie in der Nacht davor und findet im selben Hotelzimmer statt. Daran könnte ich mich gewöhnen. Unsere Pläne für die dritte Nacht werden jedoch durch einen Anruf ihres Sohnes über den Haufen geworfen. Er ist auf der Durchreise und braucht eine Übernachtungsgelegenheit. Sie vermutet, dass er außerdem pleite ist.
Wir sind fast mit dem Abendessen fertig, als das Handy in meiner Tasche vibriert. »Unbekannte Nummer« steht auf dem Display, aber auf diesem Telefon sind alle Anrufer unbekannt. Ich erwarte wichtige Neuigkeiten, entschuldige mich bei Vanessa und gehe nach draußen. Im Foyer des Restaurants nehme ich den Anruf entgegen.
»Mr. Reed Baldwin?«, sagt eine mir vage vertraute Stimme. »Hier spricht Nathan Cooley. Ich habe Ihren Brief erhalten.«
Ich gebe mir Mühe, langsam und mit tiefer Stimme zu sprechen. »Ja, Mr. Cooley, vielen Dank für Ihren Anruf.« Natürlich hat er meinen Brief bekommen, woher hätte er sonst meine Telefonnummer?
»Wann sollen wir uns treffen?«, fragt er.
»Wann Sie wollen. Im Augenblick bin ich in Washington, aber wir haben unsere Dreharbeiten gerade abgeschlossen. Im Moment steht nichts an, bei mir geht es also jederzeit. Wie sieht’s bei Ihnen aus?«
»Ich bin eigentlich immer hier. Wie haben Sie mich gefunden?«
»Über das Internet. Heutzutage kann man sich kaum noch verstecken.«
»Stimmt. Ich schlafe normalerweise aus, und von zwei bis Mitternacht arbeite ich im Lokal.«
»Wie wäre es zum Mittagessen?«, frage ich etwas zu eifrig. »Nur wir beide, keine Kameras, Aufzeichnungsgeräte oder so Zeug. Ich lade Sie ein.«
Eine Pause, ich warte mit angehaltenem Atem. »Von mir aus. Wo?«
»Sie kennen sich aus, Mr. Cooley. Sie bestimmen Zeit und Ort. Ich werde da sein.«
»Okay, wenn Sie in Radford von der Interstate 81 abfahren, kommen Sie an einem Lokal namens Spanky vorbei. Da können wir uns morgen um zwölf treffen.«
»Ich werde da sein.«
»Wie erkenne ich Sie?«, fragt er, und ich lasse fast das Handy fallen. Die Frage des Wiedererkennens ist ein viel größeres Problem, als er ahnt. Schließlich habe ich mir das Gesicht radikal umoperieren lassen, rasiere meinen Kopf jeden zweiten Tag und meinen Bart einmal die Woche. Ich habe zehn Kilo heruntergehungert. Ich trage eine Brille aus künstlichem Schildpatt, schwarze T-Shirts, imitierte Armani-Sportjacken und Segeltuchsandalen, die es nur in Miami oder L.A. gibt. Ich habe meinen Namen geändert. Ich habe eine andere Stimme und spreche langsamer.
Diese ganze Scharade habe ich nicht etwa geplant, um die Leute zu täuschen, die mich beschatten oder gar töten wollen, sondern ausschließlich, damit Sie, Mr. Nathan Cooley, mich nicht erkennen.
»Ich bin einen Meter achtzig groß, schwarz, dünn, kahlrasiert und werde einen weißen Panamahut tragen.«
»Sie sind schwarz?«, rutscht es ihm heraus.
»Ja. Ist das ein Problem?«
»Nein. Bis morgen.«
Ich gehe zu unserem Tisch zurück, wo Vanessa gespannt wartet.
»Das war Cooley«, sage ich leise. »Wir treffen uns morgen.«
Sie lächelt. »Du schaffst das.«
Wir essen zu Ende und verabschieden uns widerwillig. Vor dem Restaurant küssen wir uns und führen uns überhaupt auf wie Teenager. Während der ganzen Fahrt nach Roanoke muss ich an sie denken.
Ich komme fünfzehn Minuten vor der vereinbarten Zeit an und stelle den Wagen ab, damit ich die Autos beobachten kann, die auf den Parkplatz von Spanky einbiegen. Allein sein fahrbarer Untersatz wird mir viel über ihn verraten. Vor sechs Monaten war er noch im Gefängnis, wo er etwas über fünf Jahre abgesessen hat. Er hat keinen Vater, seine Mutter ist Alkoholikerin, und er hat nur die Pflichtschuljahre absolviert, deswegen bin ich gespannt, mit was für einem Auto er auftaucht. Bei unserem Gespräch werde ich mir im Geiste alles notieren, was irgendwie auffällig ist, wie Kleidung, Schmuck, Uhr oder Handy.
Der Verkehr wird lebhafter, als die Mittagsgäste anrollen. Um 12.03 Uhr taucht ein funkelnagelneuer silberfarbener Halbtonner-Pick-up, ein
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