Das Kopernikus-Syndrom
schlug Louvel vor.
»Genau. Wir haben in diese Richtung noch nicht genug geforscht, aber man muss auch sagen, dass die Finanzierung einer Offshore-Firma besonders schwammig ist. Aber die Verwicklung der SEAM, immerhin der zweitgrößte Waffenexporteur Europas, in eine private Sicherheitsfirma ist nicht sonderlich erstaunlich, wenn auch aus berufsethischer Sicht bedenklich. Aber das kommt der SEAM zugute. Solch kleine Firmen wie die Dermod spielen bei den Waffenlieferungen an alle möglichen Regimes der Länder im Süden eine immer größere Rolle. Sie haben eine ausgezeichnete Position, um den Waffenfabrikanten Geschäfte anzubieten: Sie pflegen den Kontakt mit Militärjuntas, Luftfrachtgesellschaften und so weiter.«
Ich hörte Lucie zu. Ihre Stimme und ihr Blick verrieten Leidenschaft. Sie engagierte sich total in dieser Angelegenheit, als ob ihr Leben davon abhinge. Vielleicht war das sogar der Fall. Wenn dieses zwanzigjährige Mädchen tatsächlich SpHiNx gegründet hatte, dann deshalb, weil sie ein persönliches Motiv und einen außerordentlich großen Wahrheitsdurst besaß. Obwohl sie aussah wie ein ewiger Teenager, war sie auf bestimmte Weise erwachsen, vielleicht sogar reifer als ich. Und das Wissen, das sie sich über all diese Themen angeeignet zu haben schien, beeindruckte mich. Sie und Louvel waren zweifellos die beiden beeindruckendsten Menschen, die ich kennengelernt hatte. Und seltsamerweise fand ich es erstrebenswert, ihnen zu gleichen. Plötzlich verspürte ich eine neue Kraft, eine verstärkte Motivation. Die Lust, einer Gruppe anzugehören. Vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich in diesem Augenblick das Gefühl, nicht mehr allein zu sein.
»Lucie«, fragte ich, »wie haben Sie herausgefunden, dass Dermod eine private Sicherheitsfirma ist?«
»Zwei Dokumente von Gérard Reynald haben uns auf die Spur gebracht. Wir haben Quellen, um alles zu überprüfen. Das erste Dokument nannte die Dermod in Zusammenhang mit einer militärischen Operation, die Anfang 1997 offiziell vom französischen Staat finanziert wurde. Dermod soll etwa dreißig Söldner entsandt haben, um die Armee von Joseph Mobutu zu unterstützen, die gerade von den Soldaten von Laurent-Désiré Kabila besiegt worden war.«
»Sonst nichts?«
»Doch. Das zweite Dokument bezog sich auf eine andere Mission derselben Art, die von einem Berater des Élysée-Palastes Anfang 2000 durchgeführt worden war. Auch in diesem Fall soll Dermod sechs Männer entsandt haben, um General Robert Guei an der Elfenbeinküste zu unterstützen, die Oppositionsgruppen außer Gefecht zu setzen und die Präsidentengarde wiederaufzubauen …«
»Black Operations«, murmelte Louvel.
»Genau.«
»Was ist das für ein Quatsch?«, fragte ich völlig entgeistert.
»Das ist kein Quatsch«, erwiderte Louvel und wandte sich mir zu. »Solche Aktionen werden immer häufiger. Der französische Staat schaltet, auch wenn er es abstreitet, regelmäßig private Gesellschaften und Söldner ein, um solche Krisen zu bewältigen.«
»Warum?«
»Na ja, um zu verhindern, dass man die Geschichten bis in die oberste Spitze zurückverfolgen kann. Es kann zum Beispiel vorkommen, dass die Eingreiftruppe des Auslandsgeheimdienstes, die es seit dem berühmten Schock vom 11. September gibt, besonders heikle Unternehmungen aus politischen Gründen nicht selbst durchführen kann. Der Vorteil besteht darin, dass Söldner im Gegensatz zu Soldaten Wegwerfware sind. Sie haben keinerlei offizielle Verbindung zu den Behörden, kurzum, sie hinterlassen keine Spuren. Alle Präsidenten der Fünften Republik haben die Dienste privater Unternehmen in Anspruch genommen, de Gaulle in Biafra, Giscard in Benin, Mitterrand im Tschad und in Gabun, Chirac in Zaire und an der Elfenbeinküste. Ganz zu schweigen von den Amerikanern, die das noch viel häufiger tun, in Afghanistan, im Irak …«
»In Frankreich gibt es mehrere Organisationen dieser Art«, mischte sich Lucie ein. Ihre Stimme klang geradezu überschwänglich. »Sie bieten ihre Dienste für teures Geld dem Staat an. Im Allgemeinen bestehen sie aus ehemaligen Gendarmen des Élysée-Palastes und ehemaligen Soldaten aus Fallschirmjägerregimenten, Marinetruppen oder der Fremdenlegion. Darüber hinaus gibt es auch viele Geheimdienstagenten ›im Ruhestand‹. Diese Typen verlassen die Armee, weil sie ihnen zu bürokratisch ist – und nicht lukrativ genug.«
Louvel stimmte zu.
»Ja, und häufig behalten sie Kontakt zu ihren
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