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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Lächeln und sein Schweigen. Ich empfand ein großes Bedürfnis, ehrlich zu sein.
    »Agnès fehlt mir. Ich habe Angst, sie zu verlieren.«
    Er hob langsam den Kopf und deutete auf sein Handy.
    »Wollen Sie sie anrufen?«
    »Sie hat mich gebeten, es nicht zu tun.«
    Er warf mir einen Blick zu, in dem ich Freundschaft zu lesen glaubte. Oder zumindest etwas Ähnliches. Ich kannte mich mit solchen Gefühlen nicht besonders gut aus.
    »Vigo, ich verspreche Ihnen, wir helfen Ihnen da raus.«
    Ich zwang mich zu lächeln.
    »Danke.«
    Erneut herrschte Schweigen. Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf wieder an das Zugfenster. Ich sah die Landschaft vorübergleiten, ich sah das schweigende, gleichgültige Schauspiel meiner Niedergeschlagenheit. Minuten verstrichen und hielten meine Angst im Zaum. Schließlich erreichten wir Paris, tauchten ein in weißen Rauch und grauen Beton, was mir gewissermaßen Trost spendete.
    Ich folgte Louvel über die Gare de Lyon und erinnerte mich an die seltsame Nacht, die ich hier verbracht hatte. Aber ich war bereits ein anderer Mensch, und nicht nur weil ich endlich meine alten Klamotten abgelegt hatte.
    Ein Taxi brachte uns ins 20. Arrondissement, zum Boulevard de Ménilmontant. Wir gingen wortlos die Straße entlang. Ich nahm die Geräusche der Stadt in mich auf. In diesem Viertel wimmelte es von Menschen, von menschlicher Wärme. Ich liebte das. Louvel führte mich vor ein altes Gebäude. Ich staunte, dass sich der Schlupfwinkel der Gruppe SpHiNx in dieser Ecke der Hauptstadt befand. Ich hatte mit einem moderneren Viertel gerechnet, mit einem Büroviertel. Aber im Grunde passte das hier vermutlich viel besser dazu, als ich dachte. Wir gelangten durch einen Hausdurchgang in einen ersten Hof, dann über einen Gang in einen zweiten Hof.
    Als wir vor einer großen Milchglastür standen, wandte sich Louvel zu mir um.
    »Hier also sind unsere Büroräume. Vigo, ich möchte nicht umständlich werden, aber Sie müssen mir versprechen, dass Sie niemals etwas von dem verraten, was Sie hier sehen werden …«
    Mit einer Kopfbewegung signalisierte ich ihm, dass ich begriffen hatte.
    »Gewöhnlich lassen wir keine Besucher herein. Sie sind … eine echte Ausnahme.«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
    »Einverstanden«, erwiderte ich, da mir nichts Besseres einfiel. »Danke.«
    Der Hacker steckte einen Schlüssel in die große gepanzerte Tür, die zu ihren geheimen Räumen führte. Er ging mir voraus.
    Die Büros der Gruppe SpHiNx befanden sich in einem leerstehenden Loft, in dem das Chaos regierte. Es war eine bunte Mischung aus Kleinkram, Plakaten, Aktenstapeln und Hightechmaterial aller Art, Bildschirme, Rechner, lauter Apparate, deren wahre Funktion ich nicht erriet. Überall liefen Kabel aller Größe von einem Ende des Raums zum anderen, von einem Büro zum anderen. An den Wänden standen Bücherregale und Schränke mit Hunderten von Akten, CD-ROMs, Druckern, Kartons … In der Ecke erblickte ich eine alte Bar aus Messing und darauf ein paar Gläser. Große Metallpfeiler, angemalt in dem gleichen Grün wie viele Metroschilder, stützten eine vier oder fünf Meter hohe Glaswand. Bläuliches Licht sickerte durch die riesigen getönten Scheiben. Im Hintergrund führte eine kleine Treppe zu einem Zwischengeschoss, abgeteilt durch große Glasfenster, die ebenfalls auf vier Metallpfeilern ruhten.
    Zwei Personen arbeiteten an ihren Rechnern. Gleich rechts ein kleiner magerer Asiate um die zwanzig, der mit Piercing und gebleichten Haaren wie ein japanischer Rocker aus den achtziger Jahren aussah. Etwas weiter weg ein etwa dreißigjähriger korpulenter Mann mit einer runden Brille mit dicken Gläsern, einer beeindruckenden zerzausten schwarzen Mähne und einem weiten Superman-T-Shirt. Sein Büro war mit diversen Computern ausgestattet, und überall standen Seltersdosen und fleckige Fastfoodverpackungen herum.
    Schließlich kam uns eine junge, knapp zwanzigjährige Frau entgegen und lächelte uns an. Sie war hochgewachsen und schlank, hatte lange braune Haare und eine kleine Nickelbrille. Sie war gekleidet wie eine Gymnasiastin und passte gut zu diesem Trio aus Internetfans.
    »Vigo, darf ich Ihnen Lucie vorstellen?«
    »Freut mich«, sagte ich und reichte ihr die Hand.
    »Hallo«, erwiderte sie lässig.
    »Da drüben, das ist Sak, unser Analytiker«, erklärte Louvel und deutete auf den jungen Asiaten. »Und der lachende Dritte dort hinter seinen wuchtigen Bildschirmen ist Marc.

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