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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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wollte.
    Schnell lief ich die Metallstufen hinauf, schloss die Glastür hinter mir und setzte mich an den Konferenztisch. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus, stützte die Ellbogen auf die Glasplatte und vergrub den Kopf in den Händen. Ein paar Augenblicke verweilte ich so, unbeweglich und mit schwerem Herzen. Dann entschied ich mich. Ich nahm den Hörer und wählte Agnès' Handynummer. Meine Hand zitterte.
    Nie zuvor hatte ich solches Verlangen verspürt, ihre Stimme zu hören. Ich hätte mir sicher nicht eingestanden, dass ich mich vor dieser Expedition fürchtete, und doch, ein Teil von mir war der Meinung, dass es vielleicht meine letzte Chance war. Unsere letzte Chance.
    Ich weiß nicht, was ich erwartete, was ich ihr sagen wollte. Ich zweifelte, ob an dieser ebenso kurzen wie merkwürdigen Beziehung überhaupt noch etwas zu retten war. Vielleicht war es ihr gelungen, sich mit ihrem Mann zu versöhnen, vielleicht zeigte ich einen völlig unangebrachten Egoismus, aber sie fehlte mir ganz schrecklich.
    Es läutete, ein-, zwei-, dreimal, dann wurde am anderen Ende abgehoben. Mein Herz schlug schneller. Aber nichts. Keine Stimme antwortete. Doch ich glaubte, jemanden atmen zu hören, einzelne Atemzüge in der Ferne.
    »Agnès?«, rief ich aufgeregt.
    Ein Seufzer. Dann wurde aufgelegt. Ich schloss die Augen und ließ den Hörer auf den Tisch fallen. Ich saß reglos da und hielt die Tränen zurück, die hervorschießen wollten. Der Knoten in meinem Hals schmerzte. Am liebsten hätte ich sie noch einmal angerufen, um ihr zu sagen, dass sie mir fehlte, dass ich sie brauchte, aber ich wusste, das hätte auch keinen Sinn. Langsam legte ich den Hörer auf und verließ das Aquarium.
    Unten wartete Louvel auf mich.

76.
    Marc setzte uns alle vier in der Gegend um den Kupka-Turm ab. Er wollte genügend Abstand zum Tor halten, an dem man bereits mehrere Gestalten erblickte. Alle Eingänge von La Défense wurden überwacht, und der offizielle Zugang war nur durch Tor 7 möglich.
    Als wir die Schranke erreichten, die den Eingang versperrte, fragte man uns nach unseren Papieren. Marc hatte ganze Arbeit geleistet, und wir konnten problemlos passieren.
    Wir überquerten in unseren Overalls den Platz, gingen an der Grande Arche entlang und stiegen nacheinander zu den Parkdecks von La Défense hinunter.
    Beim Anblick dieses Schauspiels der Trostlosigkeit durchlief mich ein Schauder. Die Zelte der ärztlichen Notversorgung hatten einer regelrechten Infrastruktur für die Aufräumungsarbeiten Platz gemacht. Um den einstigen SEAM-Turm standen mehrere Kräne, mit Kies beladene Lastwagen fuhren umher, und Hunderte von Arbeitern, Ingenieuren und Polizisten eilten in alle Richtungen. Die Esplanade wirkte wie eine riesige Rumpelkammer. Wie kurze Ausschnitte aus einem alten Film sah ich die Bilder des Attentats wieder vor mir, dann die beiden Männer im grauen Trainingsanzug, die mich verfolgten … All diese Szenen schienen so weit weg, so irreal – aber diese Wirklichkeit hier war mit keiner anderen vergleichbar.
    Bald gelangten wir zum Eingang des Parkdecks, mitten auf dem Vorplatz. Niemand schien uns Beachtung zu schenken. Wir waren ganz einfach vier weitere kleine Bauern auf einem riesigen unsinnigen Schachbrett, inmitten eines großen Balletts von Arbeitern und Technikern. Louvel ging vor uns die Stufen hinunter und führte uns zu den Aufzügen. Hier bedeckte noch eine dichte Staubschicht den Boden.
    Damien drückte auf den Knopf.
    Kurz darauf ertönte in der halboffenen Halle eine Stimme.
    »Was treibt ihr denn da?«
    Ich wandte mich um. Ein Kerl in roter Uniform blickte von der Treppe auf uns herunter.
    Louvel antwortete ohne Zögern und hielt lässig unsere gefälschten Auftragszettel hoch.
    »Wir sind unterwegs im Namen des Herrn! Wir sollen die Stützpfeiler untersuchen. Sie sollen im unteren Teil Risse haben.«
    Der Kerl nickte.
    »Okay, na, dann wünsche ich euch viel Glück. Passt auf euch auf.«
    Er konnte nicht wissen, wie wahr er gesprochen hatte. Wenn Louvel und ich etwas brauchten, dann viel Glück.
    Die silbernen Türen vor uns gingen auf. Wir betraten den Aufzug und fuhren ins letzte Untergeschoss hinunter.
    Unsere beiden Leibwächter, Badji und Greg, zeigten entschlossene, harte Gesichter. Sie schienen konzentriert und zu allem bereit. Doch Louvel wirkte sehr angespannt. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen. Das hier war nicht sein Ding, und ich empfand unwillkürlich Dankbarkeit für ihn. Im Grunde genommen tat

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