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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Übrigen habe ich das Gefühl, dass Sie sich mit solchen Sachen auskennen«, fügte er hinzu.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, ich habe doch gesehen, wie Sie sich angestellt haben. Sie haben offensichtlich eine erstklassige Militärausbildung genossen.«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Ich erinnere mich nicht, Stéphane, ich leide unter Amnesie. All das liegt hinter einem großen Blackout verborgen. Und ich gestehe Ihnen, dass ich mich heute nicht mehr in diesem Aspekt meiner Vergangenheit wiedererkenne.«
    »Die Vorstellung, dass Sie beim Militär waren, behagt Ihnen ganz und gar nicht, ist es das?«
    Ich war verlegen.
    »Nun, um ganz ehrlich zu sein, ja. Ich kann mich darin nicht erkennen. Das entspricht nicht dem Mann, der ich heute bin. Oder vielmehr dem Mann, der ich zu sein glaube.«
    »Ich verstehe.«
    Sofort erinnerte ich mich an den Schusswechsel im Untergeschoss von La Défense. Mich fröstelte.
    »Der Mann, der ich heute bin … ist unfähig zu töten«, sagte ich leise wie zu mir selbst.
    Der Leibwächter nickte.
    »Ich habe es gesehen. Es macht Ihnen Ehre, Vigo.«
    »Vielleicht. Aber wenn Sie nicht geschossen hätten, wäre ich nicht hier …«
    »Meine Aufgabe besteht darin, zu verhindern, dass Menschen wie Sie von Männern wie denen da unten getötet werden. Wenn alle so wären wie Sie und wenn niemand so wäre wie die, wäre dieser Beruf weniger … nun ja, weniger mühselig.«
    Ich musterte ihn. Vermutlich ahnte er es nicht einmal, aber was er gerade gesagt hatte, war der wichtigste Gegenstand meiner Überlegungen. Und der Gegenstand einer Bestürzung, die sicher nie ganz verschwinden würde. Zum derzeitigen Stand der Dinge, in der augenblicklichen Phase unserer Entwicklung hatten wir immer noch keine Antwort auf die Frage nach der philosophisch vertretbaren Gewalt.
    Badji war ein Paradox. Das größte Paradox unserer Gesellschaft, unserer Menschheit. Gewiss, er hatte mir das Leben gerettet. Aber dafür musste er ein anderes auslöschen. In einer idealen Welt, in der niemand niemanden töten würde, hätten Männer wie er keinerlei Daseinsberechtigung. Aber in dieser Welt … Es gab Ausnahmezustände, in denen der Pazifismus, nach dem ich strebte, nichts gegen die Pistole eines Feindes ausrichten konnte. Und dieses Paradox machte mich verrückt. Denn ich wusste, es lag meiner eschatologischen Angst zugrunde.
    Häufig habe ich das Gefühl, dass wir im Begriff sind auszusterben. Denn so ist der Homo sapiens. Ein Zerstörer, ein Superraubtier der Welt und sich selbst gegenüber.
    »Ach Scheiße!«
    Ich zuckte zusammen. Ich sah, wie der Leibwächter verblüfft auf das Display seines Handys starrte. Er zeigte es Louvel, der immer noch ausgestreckt dalag, aber dessen Gesicht wieder Farbe angenommen hatte. Louvel signalisierte, dass er es gesehen hatte.
    »Marc! Planänderung«, rief Badji. »Wir fahren zu den Ställen.«
    »Was ist los?«, erkundigte ich mich beunruhigt.
    Er reichte mir sein Handy. Ich las die SMS, die Lucie geschickt hatte.
    »Die Bullen sind hier. Hausdurchsuchung auf Anordnung des Staatsanwalts. Rast in den Ställen.«
78.
    Bei Beginn der Hausdurchsuchung hatte Lucie Sak nach Hause geschickt. Sie erwartete uns allein in diesem seltsamen Keller der Porte de Bagnolet. Die Hacker hatten ihr Versteck ›die Ställe‹ getauft, denn im 19. Jahrhundert hatte es dem Besitzer des Gebäudes offensichtlich als Pferdestall gedient. Es war ein weitläufiges Gewölbe aus altem Naturstein hinter einem verborgenen Hof, dessen Aufteilung noch an seine ursprüngliche Bestimmung erinnerte. Eine Reihe von Boxen war in Büros umgewandelt worden, und der Mittelpunkt des Kellers, dessen Boden für den Abfluss von Abwasser leicht abschüssig war, diente jetzt als Versammlungsort.
    Louvel erklärte mir im Auto, dass SpHiNx anfangs mindestens zwei Jahre hier gearbeitet hatte, bevor sich die Gruppe im 20. Arrondissement einrichten konnte. Diese behelfsmäßigen anonymen Büros waren an einen ›Freund‹ untervermietet und im Grundbuch nicht als Wohnräume eingetragen. Lucie erklärte, dass die Polizei und die Meldestelle keine Ahnung davon hatten. Ein ideales Versteck.
    Marc hatte uns vor dem Gebäude abgesetzt und wollte den Van an einem sicheren Ort verstecken. Auch er sollte nach Hause gehen und auf unsere Nachricht warten.
    Als wir über den gepflasterten Hof gingen, der zu den Ställen führte, stürmte Lucie auf Louvel zu.
    »Damien. Geht es einigermaßen?«
    Obwohl sie bislang die Ruhe in Person

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