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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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steuerte auf die Tür zu.
    »Vigo, warten Sie! Vigo. Da Sie ja jetzt schon mal hier sind, verraten Sie mir zumindest, was Sie wollen.«
    Ich schwieg und drückte auf die Türklinke.
    »Wollen Sie Geld? Wollen Sie mich erpressen?«
    Meine Hand erstarrte in der Bewegung. In diesem Augenblick hätte ich vermutlich gehen sollen. Ich hätte mich nicht auf sein Spiel einlassen dürfen und ihn seinem armseligen Stolz überlassen sollen. Aber es war stärker als ich. Ich kehrte zurück.
    »Sie erpressen? Aber was glauben Sie denn, Farkas? Dass alles käuflich ist, sogar das Schweigen? Geld? Herr Minister, ich brauche kein Geld, ich habe viel mehr verdient, nämlich die Wahrheit.«
    Er brach erneut in Lachen aus.
    »Die Wahrheit? Sie kennen nicht einmal ein Zehntel der Wahrheit, Vigo.«
    Ich kehrte in die Mitte des Raums zurück, stützte mich auf die Sessellehne und blickte ihm fest in die Augen.
    »Sehr gut. Ich höre Ihnen also zu«, sagte ich.
    Er verzog belustigt den Mund. Vielleicht dachte er, dass er mich besiegt hatte.
    »In Ordnung. Was wollen Sie wissen?«
    »Ich glaube, ich weiß bereits alles, was ich wissen muss.«
    »Da haben Sie sich aber stark verrechnet.«
    »Dann sagen Sie mir, was ich wissen sollte.«
    Er legte eine Pause ein, trank einen Schluck Cognac und richtete sich dann in seinem Sessel auf.
    »Das Wichtigste, Vigo, was Sie begreifen sollten – auch wenn es noch so schwer ist, dies zuzugeben –, ist, dass Sie sich als einer der ersten Freiwilligen für das Protokoll 88 gemeldet haben. Und ich erlaube mir, auf dem Begriff freiwillig zu bestehen. Wenn Ihre Hackerfreunde die Festplatten von Dermod noch näher untersucht hätten, wären sie vermutlich auf eine Kopie vieler Papiere gestoßen, die Sie damals unterzeichnet haben, als Sie ein vielversprechender junger Soldat waren.«
    »Ich war freiwillig bereit, mir mein Hirn zerstören zu lassen?«
    »Aber, sagen Sie doch nicht so was. Ihr Gehirn ist nicht zerstört, Vigo. Es ist viel leistungsfähiger als das der meisten Ihrer Mitbürger.«
    »Ich war freiwillig bereit, mein Gedächtnis zu verlieren?«, fuhr ich fort, als ob er nichts gesagt hätte. »Damit man meine Identität verändern und mich bei falschen Eltern aufwachsen lassen konnte?«
    »Ja. Vigo, Sie hatten alle möglichen Folgen des Protokolls 88 akzeptiert. Alle. Darin eingeschlossen den Tod. Und im Übrigen, wenn Sie heute noch am Leben sind, dann haben Sie das vermutlich mir zu verdanken.«
    Dieses Mal brach ich in Lachen aus.
    »Ich nehme an, ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet?«
    Er griff nach einer kleinen Holzschachtel auf dem Tisch und nahm eine Zigarre heraus, die er mir anbot.
    »Eine Havanna?«
    »Nein.«
    »Man hat mir aber berichtet, Sie seien ein starker Raucher.«
    »Hören Sie auf, mir gegenüber den Lässigen zu mimen, Farkas. Wenn Sie mir etwas zu sagen haben, dann sagen Sie es. Ich habe Besseres zu tun, als meine Zeit mit einem Typen wie Ihnen totzuschlagen.«
    »Vigo, Sie wissen zu wenig, um sich das geringste Urteil erlauben zu können.«
    »Tatsächlich? Dann klären Sie mich auf.«
    Er schnitt das Ende seiner Zigarre ab und zündete sie mit theatralischer Geste an.
    »Das Protokoll begann 1988. Anfangs hatten Dermod und ich die Absicht, die Entstehung einer neuen Generation von Soldaten durch die Erhöhung ihrer kognitiven Fähigkeiten zu fördern. Wir haben eine erste Auswahl getroffen: zehn Franzosen und zehn Amerikaner. Wir haben sie sorgfältig unter den besten Sturmregimentern der beiden Länder ausgewählt. Sie waren sehr erpicht darauf, an dieser Auswahl teilzunehmen.«
    Ein Schauder lief mir über den Rücken. Wenn das stimmte, war ich nicht nur Soldat gewesen, sondern zudem einer im Sturmregiment. Ein Kommando. Vielleicht ein Fallschirmspringer. Ich hasste die Vorstellung, doch möglich war es. Das Protokoll 88 hatte zumindest einen Vorteil: Der Mann, der ich heute war, war froh, kein Soldat mehr zu sein.
    »Die ersten Tests waren ganz besonders schlüssig«, fuhr der Minister fort. »Eine größere Sehschärfe, ein besseres Gehör, bessere Orientierung, ein Zustand des Hyperbewusstseins und derlei Dinge. Bis zu dem Tag, an dem man gemerkt hat, dass Sie eine Art Mitgefühl entwickelt hatten, das Sie unfähig machte, zu töten. Nicht gerade ideal für einen Supersoldaten, oder?«
    Ich antwortete nicht. Die Gleichgültigkeit, mit der er mir diese Geschichte erzählte, war unerträglich.
    »Ab da wurde alles komplizierter. Dermod wollte das Problem

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