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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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von Chaillot betreten! Die Katakomben.
    Ich zögerte einen Augenblick. War das eine gute Idee, mich hier vorzuwagen? Ich hatte keine Taschenlampe dabei und gehört, dass man sich hier verirren könne. Aber hatte ich denn eine Wahl? Ich war mir ziemlich sicher, dass meine beiden Verfolger noch immer im Viertel über mir herumirrten. Bald würden sie den Ort suchen, an dem ich mich versteckt hielt. Es gab keinen Weg zurück. Also musste ich weiter in dieses dunkle Loch hinuntersteigen, denn es war bestimmt das beste Versteck. Nicht das beruhigendste, aber das sicherste.
    Ich zog eine Grimasse und beschloss, weiterzugehen. Zumindest konnte ich schauen, was sich am Fuß dieser Stufen befand. Vielleicht gab es noch einen anderen Ausgang …
    Ich machte mich auf den Weg und achtete darauf, nicht auf dem verrosteten Metall auszugleiten. Das gleichmäßige Echo meiner Schritte hallte die Treppe empor. Die behauenen Steinmauern verwandelten sich bald in Kalkwände, und die Metallstufen endeten im Fels. Ich atmete geräuschvoll aus, immer noch erschöpft und voller Angst. Jeden Augenblick fürchtete ich, von oben die Stimmen der beiden Männer zu hören, die mich aufgestöbert hatten. Aber nein. Im Augenblick blieb alles still. Ich musste mich beruhigen.
    Ich fasste etwas Zutrauen und beschleunigte meine Schritte. Dabei stellte ich fest, dass in meinem Kopf keine Stimmen mehr ertönten. Die Drohungen, das Gemurmel, alles verstummte. Je tiefer ich in den Pariser Untergrund vordrang, desto stiller wurde es in meinem Kopf. Es genügte zwar nicht, um meine Angst zu vertreiben, aber immerhin.
    Ich konnte nicht die ganze Zeit mein Feuerzeug brennen lassen, weil ich fürchtete, mir die Finger zu verbrennen, aber auch weil ich Benzin sparen wollte. Also machte ich es von Zeit zu Zeit aus und ging in der absoluten Dunkelheit weiter, blind.
    Plötzlich lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Hier war die Luft viel kühler. Und die Dunkelheit machte es nicht erträglicher. Eine unangenehme, irreale Umgebung. Ich tastete mich eine Ewigkeit lang vor, dann endete die Treppe.
    Ich zündete das Feuerzeug erneut an und stellte fest, dass ich mich in einer engen Galerie befand, vermutlich viele Meter unter der Erde. Die Mauern waren kalt und leicht feucht. Ich blieb stehen und atmete tief durch. Dann ging ich weiter, gebückt, um mir nicht den Kopf an der niedrigen Decke zu stoßen. Langsam marschierte ich in die Dunkelheit, Schritt für Schritt, die linke Hand an der Steinmauer. Nach einem langen Weg zeichnete sich an der Seite eine Öffnung ab. Ich machte wieder Licht und entdeckte zu meiner Rechten eine Art kleines Zimmer, grob in den Felsen gehauen, nur wenige Meter tief.
    Auf der Erde lagen Bierdosen und Plastiktüten. Nichts Interessantes.
    Ich ging weiter. Nach einer Weile, die mir sehr lang erschien, stellte ich fest, dass die Galerie kein Ende nehmen wollte, und beschloss, umzukehren und mich in der kleinen Nische zu erholen. Ich hatte keine Lust, mich im Labyrinth der Katakomben zu verirren. Und da ich nicht gleich wieder rauskonnte, wollte ich dort abwarten und hoffen, dass meine beiden Verfolger schließlich das Viertel verlassen würden.
    Ich kehrte in den winzigen Raum zurück, entschlossen, ein paar Stunden dort zu verbringen. Ich ließ mein Feuerzeug aufleuchten und versuchte, die ungeschickt in die Mauer gravierten Inschriften zu entziffern. Anna, ich liebe dich. Verdammte IGC , Clément, du Arschloch und Wenn dich die Neugier hergeführt hat, verschwinde!
    Vorsichtig setzte ich mich auf den Boden, vermied die Hinterlassenschaften irgendwelcher nächtlicher Partygänger und vergrub den Kopf zwischen den Knien.
    Diese kleine dunkle Nische lud zur Selbstbetrachtung ein. Ich würde mich ihr überlassen, schließlich hatte ich nichts Besseres zu tun. Ich wollte meine innere Ruhe wiederfinden. Die Verbindung zur Wirklichkeit wiederherstellen. Vielleicht auch zur Erde.
    Der kalte Fels schien meinen Rücken zu stützen. Ich legte die Hände auf den Boden, spürte den feinen Staub. Ich hatte das Gefühl, an einem Strand an einen Felsen gelehnt zu sitzen. Ich konnte die Meeresbrise fast körperlich spüren.
    Ich bin nicht schizophren.
    Ich ließ die Ereignisse noch mal vor meinem geistigen Auge vorüberziehen. Die Metro, der Turm, die Stimmen, die Rückkehr nach La Défense, die beiden Kerle im Trainingsanzug. Und jetzt die Eingeweide von Paris …
    Ich wollte mich davon überzeugen, dass das alles wirklich war. Unglaublich, aber

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