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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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doch genau, weshalb.«
    »Sagen Sie es mir. Ich muss es aus Ihrem Mund hören.«
    Er schwieg. Sein Gesicht war weicher als sonst. Er war genervt. »Weil Sie an Schizophrenie leiden.«
    »Ehrlich? Glauben Sie, dass ich wirklich schizophren bin?«
    Er kaute an seiner Unterlippe. Ich spürte, dass er es bedauerte, gekommen zu sein, und dass er am liebsten aufgestanden wäre. Er blickte sich immer wieder um, als ob er fliehen wollte. Als ob ich ihm Angst machte.
    »Vigo, Sie brauchen Hilfe. Sie müssen unbedingt wieder Ihren Psychiater aufsuchen, und Sie müssen wieder arbeiten. Sie … Sie müssen wieder ein normales Leben führen.«
    »Ich habe noch nie ein normales Leben geführt.«
    »Es ging Ihnen vorher sehr viel besser. Sie machen eine Krise durch, es ist nicht die erste und sicher auch nicht die letzte, aber Sie müssen sich pflegen und …«
    Ich unterbrach ihn.
    »Sagen Sie, François, glauben Sie, dass ich wirklich Ravel heiße? Ich will damit sagen: Ravel, das ist doch grotesk, nicht wahr? Es ist der Name eines Komponisten. Und Vigo? Ist das wirklich ein Vorname?«
    Monsieur de Telême umfasste über den Tisch meine Hände, er wirkte sehr väterlich. Hinter uns stimmte der Bluessänger einen Klassiker von Willie Dixon an.
    »Vigo, beruhigen Sie sich. Sie müssen zur Vernunft kommen und sich wieder hochrappeln. Wir werden alles in aller Ruhe besprechen, wenn Sie bei Ihrem Psychiater waren. In Ordnung? Inzwischen müssen Sie sich entspannen. Mein Lieber, Sie sind am Ende. Soll ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«
    In dem Augenblick, in dem ich nachgeben wollte, sah ich sie. Die beiden Kerle im grauen Trainingsanzug. An der anderen Seite des Raums, im rötlichen Eingangslicht. Ich konnte mich unmöglich täuschen, sie waren es. Und sie suchten mich.
    Ich ließ die Hände meines Chefs ruckartig los, beugte mich über den Tisch und zog den Kopf ein. Der Raum war voller Rauch, und es war ziemlich düster. Sie hatten mich noch nicht entdeckt.
    »Geben Sie mir bitte Ihre Autoschlüssel«, sagte ich und blickte meinen Chef eindringlich an.
    »Aber, was soll denn das?«
    »Ich muss sofort los. Bitte geben Sie mir Ihre Schlüssel.«
    »Vigo, Sie sind nicht bei sich. Sie haben ja nicht einmal einen Führerschein.«
    Ich beugte mich noch weiter zu ihm vor und umklammerte seinen Arm. Über meine Stirn rannen Schweißperlen. Meine Hände zitterten. Auf der Zunge spürte ich den vertrauten Geschmack nach Panik.
    »Hören Sie, François, da sind zwei Kerle, die mich seit dem Attentat verfolgen. Ich flehe Sie an … Ich muss hier weg, bitte geben Sie mir Ihre Autoschlüssel.«
    Monsieur de Telême warf einen Blick zum Eingang. Dann starrte er mich verwirrt an.
    »Vigo, ich …«
    Er zog eine Grimasse. Irgendwas stimmte nicht. Er wich meinem Blick aus …
    »Vigo, diese Männer wollen Ihnen nichts tun, sie wollen Ihnen nur helfen, genau wie ich.«
    Die Antwort meines Chefs ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, was das bedeutete. Als ich es kapierte, war der Schock riesengroß. Es bestand kein Zweifel. Er war in die Sache verwickelt. Er wusste Bescheid. Von Anfang an. Und sicher hatte er die beiden Männer hergebracht. Dieser Dreckskerl hatte mich verraten.
    Ich zögerte nicht einen Augenblick mehr. Außer mir sprang ich auf und packte Telême am Kragen. Ich sah das Entsetzen in seinem Blick. Das blanke Entsetzen. Ich hatte mich nicht getäuscht. Er fürchtete sich tatsächlich vor mir. Ich tastete die Taschen seiner Jacke ab, dann seiner Hose und fand endlich seine Autoschlüssel. Er war dermaßen überrascht oder eingeschüchtert, dass er sich nicht wehrte. Ich stieß ihn auf seinen Stuhl zurück und rannte auf die rechte Seite der Bühne. Ich wusste, dass es dort eine Tür gab, die zu den Büros im Erdgeschoss führte. Eines Tages hatte mich der Clubbesitzer dorthin geführt, um mir alte Bluesplatten vorzuspielen. Das war meine einzige Chance.
    Gebückt schlich ich mich eilends an der Bühne vorbei, ließ meinen sprachlosen Chef stehen. Die beiden Kerle hatten mich inzwischen entdeckt und kamen direkt auf mich zu.
    »Gibt's ein Problem, Alter?«
    Ich zuckte zusammen. Es war Gérard, der Besitzer. Er hatte mich an der Schulter gepackt und musterte mich misstrauisch. Ich beschloss, es ihm zu sagen. Ich hatte ja nicht wirklich die Wahl, und ich hatte ihn immer anständig gefunden.
    »Diese beiden Kerle dort sind hinter mir her«, sagte ich und deutete mit dem Finger auf die

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