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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Der Schalthebel in meiner Hand, die Nackenstütze am Hals. Ich hatte den Eindruck, das alles zu kennen, ohne mich jedoch an eine einzelne Gelegenheit erinnern zu können.
    Mein Hotel war nicht sehr weit. Ich ließ meine Selbstbetrachtung sein und schaltete das Radio ein. Ich probierte die Sender durch, bis ich Nachrichten fand. Ein Experte erläuterte mit monotoner Stimme, dass vermutlich Al Qaida bei dem Attentat vom 8. August die Hand im Spiel gehabt hatte. »…  viele Indizien weisen auf die islamistische Organisation von Osama bin Laden hin. Jean-Jacques Farkas, der Innenminister, bestätigte heute Morgen, dass mehrere Al-Qaida-Mitglieder vor längerer Zeit in die Hauptstadt eingeschleust wurden und dass es ziemlich wahrscheinlich ist, dass sie die Drahtzieher der Terrorakte waren. Mehrere mutmaßliche Mitglieder dieser islamistischen Organisation wurden im Laufe der Woche in Paris und der Pariser Region überprüft, und die Polizei berichtet, dass verdächtige Dokumente beschlagnahmt wurden und zur Zeit analysiert werden …«
    Ich machte das Radio aus und seufzte tief. Ich hatte die Bombenleger gehört. Ich hatte die Gedanken eines Attentäters gehört, das stand fest. Aber das half mir gar nichts. Ich hätte anhand dessen, was ich gehört hatte, nicht einmal sagen können, ob es sich um einen islamistischen Terroristen gehandelt hatte oder nicht, und vor allem war ich mir nicht sicher, ob ich etwas damit zu tun hatte.
    Ich wollte den Wagen schon vor dem Hotel anhalten, als ich einen Mann entdeckte, der anscheinend am Eingang wartete. Getrieben von meiner Paranoia beschloss ich, etwas weiter zu fahren. Es war fast Mitternacht, und ich hatte den Kerl noch nie hier gesehen. Er trug eine Fliegerjacke und machte mit seinen in den Taschen vergrabenen Händen und seinem eingezogenen Kopf nicht gerade einen sympathischen Eindruck.
    Ich fuhr einmal durch den Kreisverkehr und erneut am Hotel vorbei. Der Mann hielt ein Handy ans Ohr gepresst und reckte den Hals, um mich zu sehen. Ich sah, wie er auf die Straße zuging, dann seine Schritte beschleunigte und das Handy abstellte. Er rannte auf das Auto zu.
    Ich trat sofort aufs Gaspedal und fuhr schnell weiter. Dieser Abschaum von Telême hatte ihnen also auch mein Versteck verraten. Ich hätte ihm nie und nimmer sagen dürfen, in welchem Hotel ich wohnte. Ich fuhr den Boulevard wieder hinauf, steuerte auf die Place du Maréchal-Juin zu und bog dann in mehrere kleine Straßen ab. Als ich sicher sein konnte, dass mich niemand verfolgte, wurde ich etwas ruhiger und griff nach meinem Handy. Ich hatte nur noch eine letzte Zuflucht.
    Agnès nahm ab und klang verschlafen.
    »Vigo, wissen Sie, wie spät es ist?«
    »Tut mir leid. Ich weiß nicht mehr, an wen ich mich wenden soll. Agnès, ich habe große Probleme.«
    »Was um Himmels willen ist los?«
    »Ich werde von Männern verfolgt. Und im Hotel ist mir etwas Seltsames passiert. Ich muss es Ihnen zeigen. Damit Sie mir sagen, was Sie davon halten. Ich habe den Eindruck, völlig den Verstand zu verlieren. Sie müssen mir helfen.«
    »Ich muss Ihnen helfen?«
    »Sie können mir helfen.«
    Ich hörte sie seufzen.
    »Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte«, murrte sie.
    Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Schließlich hatte sie recht. Mit welcher Berechtigung bat ich diese Frau, die ich kaum kannte, um Hilfe? Aber für mich war ›kaum‹ schon sehr viel. Denn ich hatte den Eindruck, niemanden mehr zu kennen. Nicht einmal mich selbst.
    »Meine Probleme lassen Sie Ihre vergessen«, sagte ich, ohne wirklich daran zu glauben.
    »Gut, Vigo, kennen Sie das Wepler?«
    »Place Clichy? Ja, kenne ich.«
    »Wie lange brauchen Sie, bis Sie dort sind?«
    »Eine Viertelstunde.«
    »Dann bis gleich«, erklärte sie müde und legte den Hörer auf.
34.
    Moleskin-Notizbuch, Anmerkung Nr. 139:
die kopernikanische Revolution
    Durch das Fenster sehe ich einen Mann, der im Vorübergehen ein Lied summt, das ich erkenne. Die Worte klingen zwischen den Mauern der engen Gasse und geben mir einen jener Fingerzeige, die das Leben einem schenkt, wenn man hinschaut. »Im schlichten Dorf ist mein Ruf schlecht, ob ich wild bin oder still bin, man traut mir nicht recht. Ich bin ein Ich-weiß-nicht-was …« Manchmal habe ich den Eindruck, einen Hut voller Löcher und einen Robinson-Bart zu tragen. Ich warte freundlich, bis man Steine nach mir wirft, das härtet ab. Die Heime sind voller solcher Ich-weiß-nicht-was. Und dennoch …
    Das

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