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Das Kopernikus-Syndrom

Das Kopernikus-Syndrom

Titel: Das Kopernikus-Syndrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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so nennen. Meine Ermittlung. Im Grunde genommen war ich nichts anderes als der Detektiv, der meinem eigenen Leben nachspürte.
    Ich tippte ›Protokoll 88‹ in eine Suchmaschine. Die bloße Tatsache, dass ich diesen Begriff eintippte, verlieh ihm plötzlich eine Existenz, eine Wirklichkeit. Ich wusste noch nicht, was sich dahinter verbarg, doch das Geheimnis dieses Wortes und der Zahl wurde tatsächlich ganz konkret. Und das fand ich beinahe beruhigend. Das steckte mir ein Ziel. Vielleicht war ich gar nicht Vigo Ravel, ich war vielleicht gar nicht der Schizophrene, der ich zu sein glaubte, ich war zumindest ›der Mann, der herausfinden musste, was es mit dem Protokoll 88 auf sich hat‹. An dem Punkt, an dem ich mich befand, an dem sich nämlich die Frage nach der Identität stellte, war ich bereit, mich damit zu begnügen.
    Die Suchmaschine spuckte neun Treffer aus. Unter all den Millionen Links gab es also nur neunmal den Begriff ›Protokoll 88‹. Das war wenig, sehr wenig, aber es war immerhin etwas. Ich zitterte vor Aufregung. Vielleicht fand ich endlich eine Spur. Den Beginn einer Spur. Einen Weg.
    Nach und nach überflog ich die Texte, die den Gegenstand meiner Recherche erwähnten. Die meisten waren technische Texte, ziemlich offiziell. Und schnell wurde mir bewusst, dass kein einziger auch nur ansatzweise einen mehr oder weniger direkten Bezug zu mir und meiner Geschichte besaß. Nichts über Schizophrenie, nichts über das Attentat und nichts Geheimnisvolles. Nichts, was meine Aufmerksamkeit erregt, meine Neugier geweckt hätte. Alles, was ich fand, betraf die Sicherheit von Schiffen, den E-Mail-Versand und die Gesetzgebung für die Luftverkehrskontrolleure. Alle Protokolle wiesen die Zahl 88 auf, weil sie 1988 unterzeichnet worden waren, mehr nicht. Instinktiv wusste ich, dass sie überhaupt nichts mit dem zu tun hatten, was ich suchte. Zur Sicherheit las ich all diese Texte von Anfang bis zum Ende, doch ich fand nichts wirklich Aussagekräftiges.
    Ich stieß einen langen Seufzer aus, der meine Enttäuschung zum Ausdruck brachte. Das Geheimnis war noch lange nicht gelöst. Aber so schnell konnte ich nicht aufgeben. Ich beschloss, die beiden Begriffe umzustellen, und gab ›88 Protokoll‹ ein. Das ergab auch nichts Besseres. Wenn ich die Zahl und das Wort extra eintippte, kamen viel zu viele Ergebnisse, als dass ich die geringste Spur hätte finden können.
    Ich fluchte. Es musste doch irgendwas mit der Zahl 88 geben: Seit dem Tag des Attentats stand sie für so viele Details. Angefangen von dem geheimnisvollen Satz des Terroristen ›… 88, die Zeit des zweiten Boten ist gekommen‹. Ich wagte nicht, an die Zeit zu denken, die meine Uhr zeigte. Das konnte nur Zufall sein. Aber darüber hinaus hatte es mit der Zahl 88 sicher etwas auf sich. Doch wenn man diese Zahl als einziges Schlüsselwort in eine Suchmaschine eintippt, erhält man Millionen Antworten. Das half mir nicht weiter.
    Ungefähr eine Stunde lang setzte ich meine Nachforschungen fort, vergeblich. Entmutigt lehnte ich mich auf dem Stuhl zurück. Da entdeckte ich auf Agnès' Schreibtisch ein Lexikon. Instinktiv schrieb ich die Definition des Begriffs Protokoll in mein Notizheft.
    Protokoll: (lat. protocollum , aus dem Griech . Kollaö ›kleben‹). Gängige Sammlung von Formeln für öffentliche Akten, die offizielle Korrespondenz. Gesamtheit von Resolutionen, die im Rahmen einer Versammlung getroffen werden. Zusammenfassung, Wortlaut eines Vorgangs des Verlaufs einer wissenschaftlichen Untersuchung. Gesamtheit der erforderlichen Vereinbarungen, um juristische Personen, die gewöhnlich weit voneinander entfernt sind, zusammenarbeiten zu lassen und insbesondere, um zwischen diesen einen Informationsaustausch aufzubauen und zu unterhalten.
    Dies war nicht unbedingt ein Leitfaden für meine Ermittlungen, aber zumindest hatte ich eine genauere Vorstellung davon, was man unter einem Protokoll verstehen konnte; ich setzte mir einen Rahmen, ein Forschungsgebiet.
    Kurz vor Mittag wurden meine Kopfschmerzen noch quälender. Weil ich sicher war, dass ich nichts Ergiebigeres mehr finden würde, schaltete ich den Rechner aus und legte mich im Wohnzimmer auf die Couch. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu entspannen, aber der Schmerz ließ einfach nicht nach. Langsam breitete er sich bis in die Schläfen aus, bis in den Nacken. Ich massierte meinen Kopf, aber keine Linderung trat ein, der Schmerz verstärkte sich immer mehr und wurde schnell

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