Das Krähenweib
konnte. »Diese Münzen sind vielleicht der Preis für die Freiheit.«
Das konnte nur bedeuten, dass er die Wächter bestechen wollte. Doch bei Johanns nächsten Worten lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
»Sie wollen, dass ich eine Transmutation durchführe«, fuhr er fort. »Sei also darauf gefasst, dass der Amtmann in die Schenke kommt. Er wird mein Bündel abholen. Aber lass ihn nicht an die Münzen kommen.«
»Sie wollen …«
»Ja, aber damit habe ich gerechnet. Und es gibt mir auch ein wenig Zeit, um alles zu durchdenken. Hole mir nur die Münzen, dann wird alles gut werden, das verspreche ich dir.«
Annalena nickte, bereit, ihm zu glauben, denn einen anderen Halt als seine Zuversicht hatte sie in diesem Augenblick nicht.
»So, es ist genug mit dem Reden!«, rief der Wächter plötzlich und erhob sich ächzend von seinem Stuhl. Vermutlich schlief er nicht gern in Anwesenheit von Menschen, die sich nicht hinter Gittern befanden.
»Sag der Frau Kirchmaier schönen Dank für ihre Gabe und dass ich hoffe, das Missverständnis bald aufklären zu können«, sagte Johann laut, damit der Wächter sie diesmal auch sicher hörte.
»Das werde ich«, antwortete Annalena. Nur zu gern hätte sie Johann durch die Gitterstäbe hindurch geküsst, doch das war unmöglich. Sie konnte nur hoffen, dass der Wächter nichts von ihrer Unterredung mitbekommen hatte.
Schweren Herzens musste Annalena nun die Wachstube verlassen. An der Tür sah sie sich noch einmal zu ihm um, und der Anblick, wie Johann da hinter den Gittern stand, presste ihr das Herz zusammen. Ihr stiegen Tränen in ihre Augen, doch bevor er oder der Wachmann sie bemerken konnten, wandte sie sich um und stieg die Treppe hinab.
Der Wind draußen war nun schärfer geworden und zerrte heftig an ihrem Schultertuch, als sie über den Schlosshof in Richtung Tor strebte. Die Wachen dort hatten dem Wein offensichtlich schon kräftig zugesprochen. Noch war der Amtmann weit und breit nicht zu sehen, doch wenn sie so weitermachten, würden sie ihn bei seiner Rückkehr wohl lallend begrüßen. Allerdings waren sie nicht so betrunken, dass sie nicht bemerkt hätten, dass Annalena wieder zurück war.
»He, willst du nicht mit in meine Kammer kommen und dich von mir ein wenig aufwärmen lassen?«, rief der ältere Wächter und erntete trunkenes Gelächter von seinem Nebenmann.
Annalena ignorierte das Angebot und begann zu rennen. Der Krug, den sie eigentlich hatte wiederhaben wollen, war ihr einerlei. Sie musste die Dukaten holen, bevor sie jemand an sich nehmen konnte.
Ein paar Schneeflocken, die den Weg zum Boden noch nicht überleben würden, legten sich feucht und kalt auf ihre Wangen, doch dies nahm sie nicht einmal wahr. Als sie die Schenke fast erreicht hatte, tönten ihr Schritte entgegen. Annalena stoppte abrupt und lauschte. Sie hörte fast sofort, dass es nicht die Schritte von Leuten waren, die weinselig aus der Schenke kamen. Dazu klangen sie zu gleichförmig. Es mussten Soldaten sein. Rasch drückte sie sich in den Schatten eines Torbogens und beobachtete dann die Männer, die an ihr vorübergingen. Es waren tatsächlich Soldaten, in derselben Uniform, die auch die Turmwächter getragen hatten. In ihrer Mitte ging ein dicklicher Mann im pelzverbrämten Mantel und mit gepuderter Perücke auf dem Kopf. Das musste der Amtmann sein.
Annalena dankte Gott dafür, dass er den Wächter dazu gebracht hatte, sie aus dem Turm zu schicken. Wäre sie ein paar Minuten länger geblieben, wäre sie dem Amtmann direkt vor den Schlosstoren in die Arme gelaufen. Nun mochte er zwar erfahren, dass Johann Besuch gehabt hatte, er würde jedoch nicht wissen, wie sie aussah.
Zudem war sie sich recht sicher, dass er bei einer Magd der Witwe Kirchmaier nicht argwöhnen würde, dass sie jemand war, der beinahe alles tun würde, um Johann seinen Fängen zu entreißen.
Während Röber gemütlich vor dem Kamin saß und seine Pfeife rauchte, gingen ihm die Ereignisse der vergangenen Tage noch einmal durch den Kopf. Vieles war so gekommen, wie er gehofft hatte – und einiges ganz und gar nicht.
Es war für den Kaufmann wie eine Offenbarung gewesen, Annalena durch die Stadt gehen zu sehen. Er war seit einer Woche mit den beiden preußischen Spionen, die sich ihm mittlerweile als Marckwardt und Schultze vorgestellt hatten, in der Stadt gewesen und hatte immer mehr das Gefühl gehabt, dass ihnen das Glück abhold sei. Kirchmaier war verstorben, und sie fanden keinerlei
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