Das Krähenweib
dem Leutnant ausgeliefert wird.«
Genau das war Röbers Sorge gewesen. Aber was war, wenn sich die Soldaten von Böttger narren ließen, so dass er aus ihrer Obhut verschwinden konnte? Nein, was Böttger anging, musste er auf Nummer sicher gehen. Er war überzeugt, dass seine Präsenz wirksamer war als irgendwelche Fesseln allein – immerhin stand Böttger in seiner Schuld. Und auch wenn er von diesem Weibsstück dazu verleitet worden war zu fliehen, war er im Grunde seines Herzens doch ein guter Bursche, dem angesichts seines Gläubigers der Mut sinken und der sich seiner Schuld erinnern würde. »Denkt aber daran, dass ich den Goldmacher begleiten will, wenn er inhaftiert wird. Ich habe noch einiges mit ihm zu bereden.«
Schultze und Marckwardt sahen sich erst an und nickten dann. »Solange Ihr keine Anstalten macht, ihm den Stein der Weisen abzunehmen, soll es uns egal sein.«
»Meine Herren, Ihr beleidigt mich!«, rief Röber empört aus. »Glaubt Ihr wirklich, ich würde es über mich bringen, Seine Majestät zu betrügen?«
Doch wo sie es schon erwähnen, fügte er in Gedanken hinzu. Ich wäre doch dumm, wenn ich das Rezept nicht an mich nehmen würde. Eine rasch angefertigte Abschrift würde schon genügen.
Die Spione sahen ihn an, als würden sie ihm alles zutrauen, doch sie hatten nichts gegen seinen Wunsch einzuwenden. »Gut, Ihr sollt Euren Platz neben ihm bekommen«, sagte Marckwardt. »Aber erst einmal müssen wir ihn haben.«
»Ich werde auf dem Weg aus der Stadt mit dem Leutnant sprechen und ihn anweisen, darauf achtzugeben, dass der Junge nicht heimlich aus der Stadt gebracht wird«, fügte Schultze hinzu und machte sich sogleich an die Reisevorbereitungen.
Röber erhob sich und trat an das Fenster der Kammer. Eine Gestalt mit langen dunklen Haaren huschte auf der Straße gerade vorbei und brachte den Gedanken an seine ehemalige Magd zurück. Doch da sie selbst Böttger nicht aus dem Turm befreien konnte, war er nicht beunruhigt. Er würde schon dafür sorgen, dass sie ihn nicht wiedersah und seine Pläne vereitelte – und wenn das Glück auf seiner Seite war, würde er vielleicht sogar Rache an ihr nehmen können.
Annalena hatte gedacht, dass es beim zweiten Mal schwieriger werden würde, bis zu Johann vorzudringen. Diesmal hatte sie keinen Wein dabei, und sie wollte auch keinen Dukaten an die Wächter verschwenden. Doch allein das Versprechen, ihnen beim nächsten Mal wieder eine Weinflasche mitzubringen, reichte, um von den Torwachen hereingelassen zu werden.
Während sie die Stufen des Turmes erklomm, musste sie wieder daran denken, wie sie Johanns Studentenkammer vorgefunden hatte, als sie gestern Nacht zurückgekehrt war. Der Amtmann hatte die Kammer mit seinen Leuten durchsucht. Sie hatten die Tasche mitgenommen, in der das Arkanum und einige andere Zutaten für seine Experimente gesteckt hatten, doch den Beutel mit den Dukaten hatten sie zum Glück nicht gefunden. Es war ihnen anscheinend nur um den Stein der Weisen gegangen – und um das Gold, das sie sich von Johann erhofften. Gold, immerzu nur Gold, dachte sie und wünschte sich voller Inbrunst, dass Johann in einer anderen Wiege gelegen hätte. Wenn er als Sohn eines Henkers geboren wäre, hätten sie ein glückliches Leben führen können, missachtet zwar von den Leuten der Stadt, aber dafür voller Liebe.
Nun stand sie erneut vor dem Gitter und spürte den Blick des Wächters zwischen den Schulterblättern.
»Hast du sie?«, fragte Johann, und Annalena nickte. Sie nahm das kleine Bündel, in dem die Münzen eingewickelt waren, hervor und steckte es Johann unbemerkt von dem Wächter zu, der unterdessen mit dem Messer seine Nägel auskratzte.
»Ich danke dir.« Annalena nickte, in der Hoffnung, dass sie Johann bald wieder in die Arme schließen konnte.
Er schaute hinüber zum Wächter, dann zog er unter seinem Hemd ein Heftchen hervor, in das er ein klein gefaltetes Blatt lose eingelegt hatte. Er nahm das Papierstück hervor und reichte es ihr, ebenfalls so, dass der Wärter nicht darauf aufmerksam wurde. »Bring das dem Herrn Johann Kunckel von Löwenstein. Du erinnerst dich doch, dass ich dir von ihm erzählt habe?«
Annalena nickte und verstaute den Zettel unter ihrem Leibchen.
»Er wird dir zuhören, wenn du ihm den Zettel zeigst. Bitte ihn, mir eiligst zu helfen. Ich werde solange versuchen, die Männer hier bei Laune zu halten.«
»Und die Preußen? Ich habe gehört, dass sie vor der Stadt lagern.«
»Sie
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