Das Krähenweib
beiden Wächter wussten etwas damit anzufangen, Platz machten er und sein Kamerad ihr trotzdem nicht.
»Hast du in deinem Korb auch Wein?«, fragte der ältere der beiden, ein Mann von gedrungener Gestalt mit kräftigem silbergrauem Schnurrbart über den Lippen.
Annalena verstand, die beiden wollten etwas zum Aufwärmen. »Ja, das habe ich«, antwortete sie und tat so, als wüsste sie nicht, worauf die Wächter hinauswollten. Eine Beute besaß mehr Wert, wenn man sich mühen musste, um sie zu erringen. »Die Frau Kirchmaier sagte, ich solle ja alles dem Jungen so überbringen, wie es ist.«
Der ältere Wächter blickte den jüngeren an. Stumm trafen sie eine Übereinkunft, dann sagte der ältere: »Lass uns den Krug Wein hier, dann bringt dich einer von uns in den Turm.«
Annalena zögerte zum Schein, aber schließlich tat sie, was der Wächter verlangt hatte. Sie nahm den Krug hervor, gab ihn dem Mann aber nicht gleich in die Hand.
»Sperrt erst die Tür auf.«
Der Wächter lächelte grimmig. Hatte er wirklich geglaubt, dass er ihr den Wein wegnehmen und sie dann einfach davonjagen könnte?
»Die Kleine ist gerissen«, sagte er zu seinem Nebenmann und wandte sich dann wieder Annalena zu. »Deine Herrin muss wirklich zufrieden mit dir sein.«
Offenbar hielt er sie für eine Dienstmagd der Witwe Kirchmaier. Das war Annalena nur recht. »Das ist sie, und wenn ihr keinen Ärger mit ihr kriegen wollt, trinkt ihr den Wein schnell und gebt mir den Krug nachher wieder mit.« Annalena reichte dem Mann das mit Korb umhüllte Behältnis. Der Wächter grinste sie unverschämt an, dann bedeutete er seinem jüngeren Kameraden, dass er sie zum Schloss bringen sollte.
Der junge Mann ging voran, den Blick des anderen Wächters spürte sie in ihrem Rücken. Unvermittelt umklammerte sie den Henkel des Korbes fester. Was war, wenn er ihnen folgte? Und im Turm auf dumme Gedanken kam? Oder noch schlimmer, wenn der junge Wächter sie zum Kreisamtmann brachte und die Bestechung offenlegte?
Schweigend folgte sie dem Mann über den Schlosshof, auf dem der Wind das letzte braune Laub tanzen ließ. Der Turm erhob sich imposant vor ihnen, einige Fenster waren erleuchtet. Annalena hätte damit gerechnet, dass der Weg hinein über das Schloss führte, das bei Tageslicht beinahe noch trauriger aussah als bei Nacht, doch der Turm hatte seinen eigenen Zugang. Vor diesem machten sie schließlich halt.
»Den Rest des Weges schaffst du wohl allein«, sagte der Wächter zu ihr. Wahrscheinlich wollte er eiligst wieder zurück, um noch etwas von dem Wein abzubekommen. Sie hatte sich ganz umsonst Sorgen gemacht. »Geh einfach hoch zu der Tür, die sich an die Treppe anschließt, und sag dem Wächter dort, dass wir dich durchgelassen haben.« Damit öffnete er die Tür und schloss sie gleich wieder, nachdem Annalena den Turm betreten hatte.
Eine einzige rußende Fackel beleuchtete die steinerne Wendeltreppe nach oben. Der Wind, der draußen nur durch das Rascheln des Laubs wahrzunehmen war, machte hier drinnen ein schauriges Geräusch, beinahe wie das Heulen eines hungrigen Wolfes.
Zögernd erklomm sie die Stufen, bis ihr ein helles Licht entgegenstrahlte. Stimmen wisperten so leise, dass man sie für das Raunen des Windes halten konnte. Annalena hielt genau darauf zu. Wenig später traten ihr erneut zwei Wächter entgegen. Diesen würde sie keinen Wein mehr geben können, und hoffentlich reichte die Tatsache, dass sie von der Wache unten reingelassen wurde, aus, um zu Johann zu kommen.
»He, was willst du hier?«, fragte einer der Uniformierten, als würde er ihr zutrauen, dass sie die Wächter unten überwältigt hatte.
»Ich bringe einen Korb von der Frau Kirchmaier für den Herrn Böttger.«
Der Wächter lachte auf und wandte sich an seinen Kameraden. »Hast du gehört? Sie hat ihn Herr Böttger genannt, diesen grünen Burschen.«
»Wie ich ihn nenne, ist doch einerlei, oder?«, fuhr Annalena den Wächter ungehalten an. »Lasst ihr mich ein oder muss sich die Frau Kirchmaier selbst hierher bemühen?«
Jetzt konnte sie sehen, welche Wirkung ein bekannter Name haben konnte. Mit ihrer zornigen Rede hatte sie anscheinend genau den richtigen Ton getroffen. Die Wachen verstummten, sahen sie an und machten ihr dann Platz.
»Also gut, meinetwegen geh rein. Der Herr Amtmann ist im Moment nicht da, kann aber jederzeit zurückkommen, du solltest dich also beeilen.«
Annalena nickte dem Wächter zu, und daraufhin öffnete sich die Tür zur
Weitere Kostenlose Bücher