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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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einiges von Kräutern, und auch sonst konnte Annalena sie gut leiden.
    Als sie die Orangerie wieder verließen, wehte ihnen ein schneidender Wind entgegen. In den wenigen Augenblicken, die sie drinnen verbracht hatten, war es merklich aufgefrischt. Ein unerwarteter Windstoß fegte Annalena die Haube vom Kopf und ihr Haar wehte frei um ihre Schultern. Erschrocken blickte sie sich um und sah, dass sich die Haube an einem kleinen Obstbaum verfangen hatte. Dort flatterte sie wie eine Fahne und drohte, sich jeden Augenblick von dem zarten Stamm zu lösen. Annalena stürmte auf sie zu und bekam die Haube noch gerade rechtzeitig zu fassen. Da störte es sie auch nicht, dass der Wind ihr Haar in einer wilden Wolke tanzen ließ.
    »Du hast Haare wie Federn von ’nem Grächnvochel«, sagte Martha bewundernd, während sie weiter über den Hof liefen und Annalena sich mühte, die losen Flechten zu einem Zopf zu drehen und wieder unter der Haube zu verstauen. Bei der Länge ihres Haars und dem Wind, der ihr die Flechten immer wieder entriss, gestaltete sich das als ziemlich schwierig.
    »Was ist ein Grächnvochel?«, fragte Annalena, denn sie hatte wohl verstanden, dass es ein Vogel sein sollte, doch sie hatte noch nie von einem derartigen Tier gehört.
    »Eine Krähe«, sagte Martha fröhlich.
    Krähenweib, kreischten die Stimmen aus ihrer Erinnerung. Obwohl sie die Gedanken an ihre Vergangenheit energisch beiseiteschob, musste ein erschütterter Ausdruck auf ihr Gesicht getreten sein, denn Martha fragte: »Habe ich was Falsches gesagt? Es sollte keine Beleidigung sein, ich mag Krähen wegen ihres schillernden Gefieders sehr gern. Dein Haar hat mich einfach daran erinnert.«
    Annalena zwang sich zu einem Lächeln. »Ist schon gut. Es ist nur, dass man mich schon mal in anderem Zusammenhang mit Krähen verglichen hat, und das war nicht gerade schmeichelhaft.«
    Martha hakte sich bei ihr ein. »Du darfst nicht so viel darauf geben, was andere über dich denken. Der eine mag Krähen, der andere nicht. Das gilt auch für vermeintlich edlere Dinge wie Tauben oder Blumen oder Herbstlaub. Einer findet es schön, der andere nicht. Ich mag Krähen, ihr Krächzen erinnert mich an den Winter und ich schaue ihnen gern zu, wenn sie den Schlossturm umkreisen. Ist dir schon mal aufgefallen, wie majestätisch sie sich im Wind treiben lassen? Ich schwöre dir, wenn ich dich mit einer Krähe vergleiche, so ist das ein Lob.«
    Angesichts ihres Lächelns hätte wohl niemand mehr auf Martha böse sein können. Auch Annalena konnte es nicht. Die Worte stimmten sie allerdings nachdenklich. Wieder einmal merkte sie, wie sehr sie die vergangenen Jahre doch geprägt hatten.
    Werde ich die Zweifel je verlieren?, dachte sie. Wird sich mein Krähengefieder je in das eines Singvogels verwandeln?
    Wieder in der Küche angekommen blieb keine Zeit fürs Nachdenken. Das Abendessen für den Statthalter und den Hof musste vorbereitet werden. Auf dem Speiseplan stand gebackener Hecht, außerdem grüne Bohnen, Hühnchen, Wurzelgemüse und Apfelkrapfen.
    »Das ist nicht mal ein Bruchteil dessen, was aufgetischt wird, wenn der Kurfürst im Schloss ist«, erklärte Martha, als sie sich an die Arbeit machten. »Aber das wirst du noch früh genug erleben. So ruhig, wie es jetzt ist, bleibt es nicht, also genieß es besser.«
    Annalena konnte sich allerdings nicht vorstellen, dass es noch hektischer werden konnte. Die Küche war ein einziges Gewusel und laute Rufe hallten von den Wänden wider. Die Scheuermägde mussten beim Gemüseputzen und Apfelschälen helfen. Annalena hielt unter dem Gemüse Ausschau nach jenen seltsamen Tartuffeln, die sie im Haus des Oranienburger Händlers gegessen hatte, aber diese Knollen gab es hier nicht. Dafür haufenweise anderes Gemüse, von dem sie nicht geglaubt hätte, dass es das um diese Zeit noch frisch gab. Aber die Orangerie war groß, und Martha hatte ihr nur einen kleinen Teil davon gezeigt.
    »Man könnte fast glauben, der Küchenwagen käme auf den Hof geprescht«, sagte Martha, als lautes Hufgetrappel über den Hof klapperte. Doch als sie aufblickte, sah sie, dass es nur die Kutsche des Statthalters war.
    »Küchenwagen?«, fragte Annalena, die ebenfalls den Hals reckte und sah, wie einem Mann mit langer grauer Perücke und blauem Rock von einem Lakaien aus dem Wagen geholfen wurde.
    »Ja, eine Kutsche, die zwischen der Nordsee und Dresden verkehrt. Wenn unser gnädiger Kurfürst hier ist, schickt er diesen Wagen los, um

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