Das Krähenweib
Nehmitz in den Salon, und so unfroh wie er dreinschaute, als er diesen verließ, um seinen Herrn zu wecken, erwartete ihn offenbar ein ziemliches Donnerwetter.
Nehmitz vertrieb sich die Zeit damit, die Gemälde und die prachtvolle Deckengestaltung zu bewundern – und gegen den Schlaf anzukämpfen. Schließlich erschien Anton Egon von Fürstenberg. Über seinem Nachtgewand trug er einen Morgenmantel aus dunkelblauem Samt, seine graumelierten, kurzgeschnittenen Haare wurden diesmal nicht von einer Perücke bedeckt.
»Was gibt es, Nehmitz, dass Ihr mich aus meinem Schlaf reißt?«
Er klang gereizt, aber Fürstenberg wusste genauso gut wie Nehmitz, dass eine Order des Königs nicht warten durfte. Er reichte ihm die Ledertasche. »Das hier lässt Euch Seine Majestät zukommen mit dem Befehl, alles, was dieses Etui an Anordnungen enthält, sofort in die Wege zu leiten.«
Fürstenberg legte sie auf einen Tisch, brach das königliche Siegel und entnahm die Briefe. Nehmitz wünschte sich, dass der Statthalter ihn entlassen möge, denn mehr als den Boten spielen sollte er eigentlich nicht. Zumindest nicht, bis der Goldmacher hier eintraf. Doch er wagte auch nicht, sich eigenmächtig zu entfernen. Und so blieb er stehen, zupfte an seinen Ärmelmanschetten und versuchte, nicht zu auffällig von einem Bein aufs andere zu treten.
»Nehmitz, Ihr werdet mit ein paar Leuten, die ich Euch stelle, nach Wittenberg reisen, und zwar unverzüglich«, sagte Fürstenberg, nachdem er die Schreiben durchgesehen hatte, die der König mit dem Vermerk versehen hatte, dass sie zuerst erledigt werden sollten.
»Aber, Euer Gnaden, ich bin eben erst angekommen. Die Pferde sind erschöpft und …«
Fürstenberg hob die Hand und brachte ihn damit zum Schweigen. »Seine Majestät wünscht ausdrücklich, dass Ihr dafür Sorge tragen sollt, dass der Junge unversehrt hier ankommt.«
Nehmitz wollte noch einmal protestieren, doch der Blick des Statthalters ließ keinen Zweifel daran, dass er seine Anweisung weder zurücknehmen noch wiederholen würde.
»Wie Euer Gnaden wünschen«, sagte er daher resigniert und verbeugte sich.
»Gut, ruht Euch etwas aus, das Zusammenrufen der Männer dürfte ein paar Augenblicke in Anspruch nehmen. Sagt meinem Diener einfach, dass er Euch in eines der Gästezimmer führen soll.«
Da fiel dem Vizelehnsherrn noch etwas ein. »Und wenn sich der Bursche wehrt oder versucht zu flüchten? Ich bin kein Soldat, der ihn halten könnte.«
»Keine Sorge, ich werde Euch nicht irgendwelche Männer an die Seite geben, sondern kampferprobte Recken. Außerdem ist Generalmajor Albendyll vor Ort in Wittenberg, für ihn werde ich Euch die Order mitgeben, dass er Euch und den Goldmacher begleiten soll.«
Nehmitz kannte Albendyll nur vom Hörensagen, und im Großen und Ganzen war es ihm sowieso egal, wer ihn begleitete, Hauptsache, derjenige hatte einen Degen an der Seite und konnte damit umgehen. »Wie auch immer es Eure Durchlaucht für richtig halten.«
Fürstenberg hatte nichts anderes erwartet. »Gut, dann werde ich Euch Bescheid geben lassen, sobald sich die Männer gesammelt haben.«
Mit diesen Worten und mit einem leichten Kopfnicken bedeutete er Nehmitz, dass er gehen sollte. Der Vizelehnsherr zog sich aus dem Salon zurück und traf im Flur auf den Lakaien, der sich in gebührendem Abstand von der Tür aufhielt, damit er bei seinem Herrn nicht in den Verdacht geraten konnte, zu lauschen.
Nehmitz trug ihm auf, dem Kutscher Bescheid zu geben, dass er sich noch nicht zu entfernen hatte. Nachdem das geschehen war, ließ er sich in das von Fürstenberg angebotene Zimmer bringen und machte es sich dort auf einer Chaiselonge gemütlich. Wie lange diese Verschnaufpause währen würde, wusste er nicht, auch war er mit einem Mal viel zu aufgeregt, um zu schlafen. Dennoch zwang er sich, die Augen zu schließen, denn er war sicher, dass unruhige Zeiten auf ihn zukamen.
17. Kapitel
A us den geheimen Aufzeichnungen des Johann Friedrich Böttger:
Ein neuer Morgen bricht an, ein trüber, kalter Morgen. Ich habe keine Ahnung, welchen Tag wir haben und ich habe auch nicht vor, danach zu fragen. Helligkeit wechselt sich mit Dunkelheit ab, Tag um Tag vergeht. Die Zelle ist jetzt noch unwirtlicher als zuvor, von überall zieht es herein, und ich frage mich, wie lange man mich hier noch festhalten wird. Meine Bücher, meine Arbeit und vor allem mein schwarzhaariger Engel fehlen mir dermaßen, dass ich mich frage, ob es überhaupt
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