Das Krähenweib
Was für ein Glück es ist, dass ich der Stiefsohn eines Münzmeisters bin, denn mein Stiefvater lehrte mich die Zusammensetzungen der Münzen. Dukaten enthalten Gold und wenn ich es geschickt anstelle, ist mir zumindest mein Leben sicher.
Schritte rissen ihn von der Niederschrift fort. Rasch ließ er das Heft unter dem Hemd verschwinden. Die Tinte war gewiss noch nicht trocken, aber das war nebensächlich.
Wenig später trat Pabst durch die Tür, flankiert von zwei Wachposten. Er war ein hagerer, streng aussehender Mann, der wirkte, als würde ihn ein Magenleiden plagen.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Johann und deutete auf die Uniformierten. »Machen wir wieder einen Ausflug?«
»Nicht direkt«, entgegnete Pabst. »Man hat mir aufgetragen, Euch den Raum zu zeigen, der Euch als vorläufiges Laboratorium dienen soll. Es sind einige Kuriere losgeschickt worden, um Eure Habe aus Wittenberg zu holen, natürlich mit dem strikten Befehl, nichts anzurühren.«
Johann nickte und setzte eine dankbare Miene auf, doch eigentlich wäre es ihm lieb, wenn jemand das Arkanum verschütten würde. So hätte er die Möglichkeit, die Vorführung noch ein wenig hinauszuzögern.
Man führte ihn in den Keller des Schlosses. Die Schatten waren dort so tief, dass sich hinter jedem von ihnen ein Geheimgang befinden könnte. Johann musste an seine Ankunft hier denken, an den Durchgang, den seine Bewacher den »Schwarzen Gang« nannten und die Tatsache, dass er nicht nur in das Schloss hinein-, sondern auch hinausführte. In die Freiheit.
Die Wachen hinter ihm würden allerdings zu verhindern wissen, dass er sich auf die Suche nach einem Geheimgang machte.
Vor einer dicken, eisenbeschlagenen Tür machten sie halt. Dahinter konnte Johann Stimmen vernehmen. Pabst öffnete, und tatsächlich befanden sich in dem Raum drei Männer. Sie wirkten hager unter ihrer einfachen Kleidung; als Bergmeister hatte Pabst sie wohl aus irgendeinem Bergwerk abgezogen. Nur einer schien jünger zu sein als Johann selbst, die anderen waren einige Jahre älter.
»Das wird, solange Ihr Euch in diesem Schloss aufhaltet, Euer Labor sein«, verkündete Pabst beinahe feierlich, doch Johann achtete nicht auf seine Worte. Sein Blick erkundete den Raum, den Ofen, der sicher nicht erst vor kurzem hier aufgestellt worden war, und die Tische, die hingegen verquer standen, als hätten die Männer sie gerade hereingeschleppt. Er fragte sich, ob in diesem Raum schon andere Goldmacher laboriert hatten. Er konnte nicht verhindern, dass sich ihm ein Bild davon aufdrängte, wie der Henker sie am Galgen baumeln ließ.
Aber an seinen Tod wollte er nicht denken. Vielmehr trieb ihn sein Lebenswille dazu, wieder jene Kühnheit an den Tag zu legen, die er früher besessen hatte. Die ihm Kraft gegeben hatte, entgegen aller Widerstände sein großes Ziel weiterzuverfolgen. »Ihr wisst aber schon, dass ein einzelner Ofen allein nicht reicht, um zu laborieren. Ich benötige Tiegel, Kolben und Zangen sowie weitere Gerätschaften. Als ich Berlin verließ, habe ich nur Zutaten, Bücher und das Arkanum mitgenommen.«
Pabst schob die Unterlippe vor und nickte dann. »Seine Majestät hat mich angewiesen, alles herbeizuschaffen, was Ihr benötigt.«
Das mag sein, dachte sich Johann, aber das Wichtigste, das ich benötige, werdet Ihr mir ganz sicher nicht gewähren: die Freiheit.
Doch laut antwortete er: »Nun, wohlan, Herr von Ohain, dann besorgt mir, was ich brauche. Ihr, der Ihr Euch in der Chemie auskennt, werdet wohl wissen, was nötig ist. Wenn meine Habe eingetroffen ist, werde ich Euch und jedem anderen hohen Herrn eine Kostprobe meines Könnens geben.«
Dass er ihn mit einem hohen Herrn gleichsetzte, schien Pabst zu schmeicheln. Dennoch ließ er sich nicht dazu verleiten, Johann allein in dem entstehenden Labor zu lassen. Er gab ihm noch etwas Zeit, sich alles anzusehen, und bedeutete den drei Arbeitern, dass sie unterdessen schweigen sollten. Schließlich verließen sie, gefolgt von den Wächtern, den Keller und wenig später wurde der Schlüssel im Schloss seines Zimmers wieder herumgedreht.
Soweit Annalena von den anderen Mägden, vorrangig von Maria, in Erfahrung bringen konnte, war das Jagdschloss Moritzburg bereits von dem Großvater des Kurfürsten erbaut worden. Es gab zahlreiche prunkvolle Räume, die wesentlich heller und luftiger wirkten, als die im Dresdner Schloss. Das hatte allerdings zu dieser Jahreszeit den Nachteil, dass sie schlecht zu beheizen
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